Nawalny: Putin steht hinter der Vergiftung
Nach seiner Vergiftung hat der Kremlgegner Alexej Nawalny in einem Interview den russischen Präsidenten Wladimir Putin für die Tat verantwortlich gemacht.
Das Wichtigste in Kürze
- Kreml-Kritiker Alexej Nawalny lag nach einer Vergiftung wochenlang im Koma.
- Nun hat er Wladimir Putin für die Tat verantwortlich gemacht.
- Nawalny sagt: «Meine Aufgabe ist jetzt, der Typ zu bleiben, der keine Angst hat.»
Wochenlang lag Alexej Nawalny wegen einer Vergiftung im künstlichen Koma. Für den Kremlgegner ist klar, wer für diese Tat verantwortlich ist: der russische Präsident Wladimir Putin.
«Ich behaupte, dass hinter der Tat Putin steht, und andere Versionen des Tathergangs habe ich nicht», sagte er dem Nachrichtenmagazin. Wie der «Spiegel» mitteilte, kündigte der 44-Jährige am Vortag bei einem Redaktionsbesuch in Berlin auch an, nach Russland zurückzukehren. «Meine Aufgabe ist jetzt, der Typ zu bleiben, der keine Angst hat. Und ich habe keine Angst!»
Das Geschenk, nicht nach Russland zurückzukehren, werde er Putin nicht machen, erklärt der russische Oppositionspolitiker im «Spiegel»-Interview. «Nicht zurückkehren hiesse, dass Putin sein Ziel erreicht hätte.»
Regierung bestreitet Vergiftung
Die russische Regierung bestreitet, dass es eine Vergiftung gegeben habe und spricht von einer Provokation und Inszenierung. Der prominenteste Gegner von Kremlchef Putin soll mit dem Nervengift der Gruppe Nowitschok vergiftet worden sein.
Der Kampfstoff ist nach dem internationalen Verbot von Chemiewaffen geächtet. Russische Geheimdienstler und Regierungsmitglieder betonten mehrfach, dass alle Vorräte des zu Sowjetzeiten entwickelten tödlichen Gifts vernichtet worden seien.
Nach Einschätzung Nawalnys könne der Befehl, Nowitschok herzustellen oder einzusetzen nur von den Chefs der drei russischen Geheimdienste stammen. Doch sie «können so eine Entscheidung nicht ohne Putins Anweisung treffen. Sie sind ihm unterstellt.»
«Du fühlst keinen Schmerz, aber Du weisst, Du stirbst»
Zu dem Attentat am 20. August sagte Nawalny, er habe im Flugzeug nicht verstanden, was mit ihm geschehe. «Ich spüre: Irgendwas ist falsch, ich habe kalten Schweiss.» Dann sei er auf die Toilette gegangen, um sich mit kaltem Wasser zu waschen. «Und dann denke ich: Wenn ich jetzt nicht rausgehe, dann komme ich hier nie mehr heraus», so Nawalny.
Und der wichtigste Eindruck: «Du fühlst keinen Schmerz, aber Du weisst, Du stirbst.» Danach habe er die Toilette verlassen und sich an einen Steward gewandt. «Man hat mich vergiftet. Ich sterbe», habe er diesem zur eigenen Überraschung gesagt.
Das Gesicht des Stewards sei das Letzte, was Nawalny gesehen habe. «Jetzt nicht ohnmächtig werden», habe er noch eine Frau rufen hören. «Dann ist Schluss. Ich weiss, ich bin tot. Nur hat sich später herausgestellt, dass ich mich geirrt habe.» Vom Zeitpunkt, als er dachte, irgendetwas sei komisch, bis zur Ohnmacht seien vielleicht 30 Minuten vergangen.
Der Kreml-Kritiker kam wohl in einem Hotel in Tomsk mit dem Gift in Berührung, da Spuren davon auf einer Wasserflasche gefunden worden sind. Er gehe davon aus, dass er das Gift über die Haut aufgenommen habe. Er spekuliert, dass das Gift auf einen Gegenstand aufgetragen wurde, den nur er berührte.
Nawalny in Reha
Der Politiker durchläuft nach seiner Entlassung aus der Berliner Klinik Charité inzwischen eine Reha-Massnahme, um wieder zu Kräften zu kommen. Nawalny, der nach «Spiegel»-Darstellung «rund um die Uhr» von Personenschützern begleitet wird, hatte sich in den vergangenen Tagen auch immer wieder in den sozialen Netzwerken zu Wort gemeldet.
Der Fall hat die Spannungen in den deutsch-russischen Beziehungen noch einmal deutlich verschärft. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Nawalny auch in der Klinik besucht hatte, forderte Russland zur Aufklärung des Verbrechens auf. Moskau aber verlangt Beweise für eine Vergiftung und lehnt bis dahin Ermittlungen in dem Kriminalfall ab.