Neues Feuer in griechischem Lager Moria ausgebrochen
In dem durch eine Brandkatastrophe grossteils zerstörten griechischen Flüchtlingslager Moria ist ein neues Feuer ausgebrochen.
Das Wichtigste in Kürze
- Tausende Demonstranten in Deutschland fordern Aufnahme der Flüchtlinge.
Die Flammen loderten nach Angaben eines AFP-Fotografen am Mittwochabend in einem Teil des Lagers, der von den vorherigen Feuern wenig betroffen gewesen war. Erneut kam es zu Chaos: Flüchtlinge rannten aus dem Lager, während ihre Zelte verbrannten. In Deutschland demonstrierten unterdessen tausende Menschen für die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Lager.
In der Nacht zum Mittwoch waren in Griechenlands grösstem Flüchtlingslager auf der Ägäis-Insel Lesbos mehrere Feuer nahezu zeitgleich ausgebrochen. Männer, Frauen und Kinder rannten in Panik aus ihren Wohncontainern und Zelten in Olivenhaine und auf Felder. Moria war völlig überfüllt gewesen - rund 12.700 Menschen waren dort unter katastrophalen Bedingungen untergebracht. Am Mittwochabend waren nach Behördenangaben noch immer mindestens 3500 von ihnen obdachlos.
Ein Teil der Flüchtlinge soll vorübergehend auf zwei griechischen Marineschiffen untergebracht werden, die am Donnerstag auf Lesbos eintreffen sollen. Auch eine Fähre war als Notunterkunft vorgesehen, wie Migrationsminister Notis Mitarachi mitteilte. Zudem sollten neue Zelte aufgebaut werden. Die Zivilschutzbehörde verhängte einen viermonatigen Ausnahmezustand über Lesbos, das 85.000 Einwohner hat.
Die Ursache der Brände war weiter unklar. Mitarachi sagte, die Feuer seien ausgebrochen, «als die Asylbewerber gegen die verhängte Quarantäne protestierten». Der Minister liess offen, ob es sich um Brandstiftung handelte. Wenige Stunden vor dem Ausbruch der Feuer hatte das Migrationsministerium mitgeteilt, dass 35 Lagerbewohner positiv auf das Coronavirus getestet worden seien.
In Berlin forderten am Mittwochabend rund 10.000 Menschen die Aufnahme der Flüchtlinge aus Moria, wie die Organisation Seebrücke mitteilte. Auch in anderen deutschen Städten gab es solche Demonstrationen. In Köln nahmen nach Angaben der Organisatoren etwa 3000 Menschen daran teil, in Hamburg 2500. Die Seebrücke hatte bundesweit zu spontanen Protesten und Kundgebungen aufgerufen.
Die Bewohner von Moria, die ihr letztes Dach über dem Kopf verloren hätten, «müssen sofort aufgenommen werden», forderte Julia Solbach von der Seebrücke. «Eine europäische Lösung ist nicht in Sicht, das heisst, einzelne Staaten müssen vorangehen.»
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zuvor erklärt, die EU und ihre Mitgliedstaaten seien zur Hilfe bereit. Innenkommissarin Ylva Johansson teilte mit, sie habe die Finanzierung der sofortigen Verlegung und Unterbringung der 400 noch verbliebenen unbegleiteten Minderjährigen aus Lesbos auf das griechische Festland genehmigt. Zudem will die EU demnach ein grosses Schiff für Schwangere und Kinder zu der Insel nach Lesbos schicken.
Die Regierung in Athen stimmte der Verlegung der 400 Minderjährigen zu. Ansonsten verbot sie aber den Lagerbewohnern vorerst, die Insel zu verlassen, wie die griechische Nachrichtenagentur ANA meldete.
Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) sprach von einer «humanitären Katastrophe» und forderte die Verteilung der Betroffenen auf aufnahmewillige Staaten in der EU. Mehrere Bundesländer erklärten sich zur Aufnahme bereit, das von Horst Seehofer (CSU) geführte Bundesinnenministerium wies solche Vorstösse jedoch erneut zurück. Das Bundesinnenministerium muss Aufnahmeprogrammen der Bundesländer zustimmen, es besteht auf einer europäischen Verteilung.
SPD-Vizechefin Serpil Midyatli übte scharfe Kritik an Seehofers «Blockadehaltung» angesichts der Lage auf Lesbos. Für die Betroffenen sei das Vorgehen des Ministers «lebensgefährlich», sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstagsausgaben). Deutschland habe den Platz für die Aufnahme von Flüchtlingen, betonte sie.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) plädierte für die Aufnahme von 2000 Flüchtlingen aus Moria in Deutschland. Innerhalb der EU müsse Deutschland in einer «Koalition der Willigen» vorangehen, sagte Müller im ARD-Fernsehen.