Ohne Heiligenschein: Bob Geldofs Comeback mit den «Rats»

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Deutschland,

Mit seinen «Band Aid»-Hilfsprojekten für Hungernde wurde er zur Ikone. Nun knüpft Bob Geldof wieder da an, wo alles begann: bei den Boomtown Rats. Das Comeback der Punkrock-Pioniere ist ein erstaunlicher Erfolg - weil noch genug hitzige Wut da ist.

Nach langer Pause: Bob Geldof meldet sich mit den Boomtown Rats zurück. Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
Nach langer Pause: Bob Geldof meldet sich mit den Boomtown Rats zurück. Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein einziges Mal während des Interviews in einem Berliner Nobelhotel rutscht ihm der Ehrenname heraus, mit dem ihn weltweit Millionen Menschen verbinden: «Saint Bob», der heilige Bob Geldof.

Es ist gleichwohl eher Ironie, wenn dieser Musiker sein Image als Wohltätigkeits-Ikone anspricht. Denn eigentlich hat der Ire ausreichend Abstand gewonnen zu den Zeiten, als er mit weltumspannenden «Live Aid»-Konzerten 1985 und «Live 8» 2005 viel Geld zur Rettung hungernder Menschen einsammelte.

Viel lieber schlüpft Geldof jetzt zurück in die Rolle des «Bobby Boomtown», des rotzig-aufmüpfigen Sängers der 1975 in Dublin gegründeten Punkrock-Pioniere The Boomtown Rats. «Citizens Of Boomtown» (BMG) heisst das erste Studioalbum dieser Band seit 36 Jahren, als «In the Long Grass» nur noch wenig Erfolg hatte, weil Geldof schon zu anderen Ufern - besagte Hilfsprojekte und Solo-Pläne - unterwegs war.

Im Gegensatz zu vielen anderen Reunion-Platten, denen man eher Geldnöte als kreative Impulse anhört, ergibt der neue Aufbruch von vier Original-Rats durchaus Sinn. Der Opener «Trash Glam Baby», die bluesigen «Monster Monkeys», «Get A Grip», das selbsterklärende «The Boomtown Rats»: Einige der zehn Songs sind mit Verve und Wucht erstaunlich nah dran an den besten Phasen einer Band, die einst in Irland - parallel zu den Sex Pistols (Grossbritannien) und Ramones (USA) - die Punk-Welle lostrat.

Unbändige Energie strahlt im Berliner Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur auch der inzwischen 68 Jahre alte Frontmann Geldof aus, der immer noch seine ergraute Zottelhaar-Frisur trägt. Dass die unerwartete Wiedervereinigung für einige Festivalkonzerte vor sieben Jahren nun ein ganzes Album abgeworfen hat, erfüllt ihn sichtlich mit Stolz.

«2013 machte mich irgendwas neugierig. Ich wollte wissen: Ist diese Band noch so gut, wie ich sie in Erinnerung hatte?», erzählt Geldof. «Wir begannen, in meinem Wohnzimmer zu spielen, wie damals, als wir Kids waren. Und sobald diese Band spielte, war das so aufregend. Ich hatte gar nicht verstanden, dass wir so kraftvoll waren, eine echt gute Band. Und der gemeinsame Spirit war immer noch hitzige Wut.»

Eine selbstgenügsame Nostalgie-Veranstaltung lag Geldof nach eigener Aussage aber fern. So singe und spiele er einen Boomtown-Rats-Welthit wie das Schulhofmassaker-Lied «I Don't Like Mondays» von 1979 heute mit all den seither passierten furchtbaren Schusswaffen-Exzessen im Hinterkopf. Das Reggae-Stück «Banana Republic» von 1980 widme er nun dem Abstieg der USA bis zur «infantilen Präsidentschaft» des Narren Donald Trump.

Auch das bissige «Rat Trap», erste Platz-eins-Single seiner Band von 1978, sei immer noch aktuell - nur dass er dabei jetzt an «die Hoffnungslosigkeit von Amazon-Arbeitssklaven» denke. «Wenn die Leute heute die Rats sehen wollen, spielen wir diese Songs, diese Klassiker - aber sie sind dann aufgeladen mit dem Zeitgeist», betont Geldof.

Die nach wie vor hörbar gute Chemie zwischen ihm, Gitarrist Garry Roberts, Bassist Pete Briquette und Schlagzeuger Simon Crowe erklärt der längst legendäre Musiker so: «Die Band hatte sich ja nie aufgelöst, sondern nur eine Pause eingelegt.» Zudem könne man immer noch bei einer gemeinsamen Philosophie anknüpfen: «Rock 'n' Roll war stets eine Musik aus der Frustration. Mit unseren Songs wollten wir ein Gespräch starten, um unser Land zu verändern.»

Nun steht der Sänger und Polit-Aktivist mit seinen drei ebenfalls in Ehren ergrauten Kumpels also wieder bereit, der Welt seinen Ärger über die bestehenden Verhältnisse entgegen zu brüllen. Und «Citizens Of Boomtown» ist für Geldof «bizarrerweise das am stärksten nach den Boomtown Rats klingende Album überhaupt». Man hört in 41 Minuten Spielzeit zwar einige der ewigen Vorbilder heraus - Howlin' Wolf, David Bowie, Mott The Hoople, The Who oder Dr. Feelgood. Doch dies ist keine verkappte Geldof-Soloplatte, sondern ein frisches Band-Ausrufezeichen: «Wir sind zurück!»

Am Ende eines dpa-Interviews, in dem sein temperamentvoller Redeschwall Pop und Politik aus 50 Jahren streift, kommt Geldof doch noch einmal kurz auf seine Hilfsprojekte «Band Aid», «Live Aid» und «Live 8» zu sprechen. «Ich kannte mich mit Armut ja aus», sagt er. «Rock 'n' Roll ist die Sprache der Veränderung, Popmusik ist ein Zufluchtsort für Hoffnung. Wir nutzten eine Sprache, die jeder versteht, als es darum ging, möglichst viele Leute vom Sterben abzuhalten.» Bei diesen schönen Worten glänzt der Heiligenschein von «Saint Bob» dann doch wieder ein wenig.

Zeitgleich zur Veröffentlichung des Albums «Citizens Of Boomtown» erscheint über Faber Music das Buch «Tales Of Boomtown Glory» mit Geldof-Texten und -Erinnerunge.

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