Deutschland und die anderen Nato-Staaten wenden vorerst den KSE-Vertrag nicht mehr an. Damit reagieren Sie auf Russlands Entscheidung für ein Aus des Vertrags.
KSE-Vertrag
Der KSE-Vertrag sollte die Anzahl von Kampfpanzern, Artilleriesystemen, Kampfflugzeugen und Angriffshubschraubern begrenzen. - Keystone

Deutschland und andere Nato-Partner haben als Reaktion auf Russlands Rückzug aus dem Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) ein vorläufiges Ende des Abkommens vereinbart. Durch den russischen Rücktritt verliere die weitere Anwendung des KSE-Vertrags den grössten Teil ihres sicherheitspolitischen und rüstungskontrollpolitischen Nutzens, teilte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Dienstag mit. Ziel des Vertrags sei es, ein ausgeglichenes konventionelles militärisches Kräftepotenzial in Europa sicherzustellen. Dieses lasse sich ohne die Mitwirkung Russlands nicht realisieren.

Die Entscheidung zur Aussetzung des KSE-Vertrags durch die Bundesrepublik sei in enger Abstimmung mit den Verbündeten in der Nato getroffen worden, erklärte der Sprecher. Man trete damit ausdrücklich nicht vom Vertrag zurück. Im Falle einer grundlegenden Verhaltensänderung Russlands bleibe eine erneute Anwendung des KSE-Vertrags möglich. Unter anderem die USA machten eine ähnliche Ankündigung.

Nato-Staaten verurteilen Russlands Austritt

In einer gemeinsamen Erklärung aller 31 Nato-Staaten hiess es am Dienstag, man verurteile Russlands Austritt. Alle alliierten Vertragsstaaten beabsichtigten nun, die Anwendung des KSE-Vertrags im Einklang mit ihren völkerrechtlichen Rechten so lange wie erforderlich auszusetzen. Eine Situation, in der die alliierten Vertragsstaaten den Vertrag einhalten, ohne dass Russland dies tut, wäre nicht nachhaltig, heisst es in einer Erklärung des Nordatlantikrats.

Der KSE-Vertrag wurde 1990 geschlossen und trat 1992 in Kraft. Ziel war nach Angaben des Auswärtigen Amtes ein sicheres und stabiles Gleichgewicht der konventionellen Streitkräfte auf niedrigerem Niveau sowie die Verhinderung militärischer Überraschungsangriffe in Europa. Dafür wurde zum Beispiel die Anzahl von Kampfpanzern, Artilleriesystemen, Kampfflugzeuge und Angriffshubschrauber begrenzt und ein Informationsaustausch mit einem umfassenden Überprüfungsregime eingerichtet.

Herber Rückschlag für Bemühungen um mehr Rüstungskontrolle

Russland hatte die Umsetzung des Vertrags bereits 2007 ausgesetzt. Als Folge suspendierten Ende 2011 ihrerseits die Nato-Staaten sowie Moldau und Georgien dessen Implementierung gegenüber Russland, Anfang 2015 ergänzt um die Ukraine. Seit 2015, ein Jahr nach der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim, nahm Russland auch nicht mehr an den Sitzungen der Beratungsgruppe teil. Der vollständige russische Austritt wurde an diesem Dienstag rechtswirksam.

Kremlchef Wladimir Putin
Russlands Präsident Wladimir Putin. - dpa

Das Aus für den KSE-Vertrag gilt als weiterer herber Rückschlag für internationale Bemühungen um mehr Rüstungskontrolle – auch wenn die eigentliche Abrüstung vor allem in den 90er Jahren erfolgte. Erst vor wenigen Tagen hatte Russlands Präsident Wladimir Putin so per Gesetz die russische Ratifizierung für das Verbot von Atomwaffentests zurückgezogen. Zudem hat Russland auch den atomaren Rüstungskontrollvertrag «New Start» ausgesetzt, der zuletzt das einzige noch verbliebene grosse Abkommen zur Rüstungskontrolle zwischen den USA und Russland war. Der Vertrag begrenzte die Atomwaffenarsenale beider Länder auf je 800 Trägersysteme und je 1550 einsatzbereite Sprengköpfe.

Geschichte ist auch der der INF-Vertrag über ein Verbot landgestützten atomaren Mittelstreckenwaffen. Er wurde von den USA mit Rückendeckung der Nato-Partner gekündigt, weil Washington davon ausgeht, dass Russland das Abkommen seit Jahren mit einem Mittelstreckensystem namens SSC-8 (Russisch: 9M729) verletzt.

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