Orkantief «Zeynep»: Mindestens neun Tote in Europa
Das Orkantief Zeynep hat neun Todesopfer gefordert. Noch bis mindestens am Montag soll es in Deutschland stürmisch bleiben.
Das Wichtigste in Kürze
- In Europa tobt das Orkantief Zeynep.
- Durch umstürzende Bäume sind mindestens neun Menschen gestorben.
- In mehreren Ländern wurden Sturmwarnungen ausgegeben.
Mindestens neun Menschen sind in Deutschland und anderen Ländern durch das Orkantief «Zeynep» ums Leben gekommen. Doch es könnte noch schlimmer kommen: Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte vorausgesagt, dass der gefährliche Sturm erst in der Nacht seine volle Wucht entwickeln würde.
Ein Autofahrer starb nach Angaben der Polizei bei Altenberge in Nordrhein-Westfalen, als er mit dem Auto gegen einen quer auf der Fahrbahn liegenden Baum prallte. Der eingeklemmte 56-Jährige sei noch am Unfallort gestorben. Zuvor hatte der WDR darüber berichtet.
Etwa zur selben Zeit war ein Mann mit seinem Wagen im nahen Saerbeck unterwegs, als das Fahrzeug sich überschlug. Der 33-Jährige starb laut der Polizei ebenfalls noch am Unfallort. Die Ursache dieses Unfalls war zunächst unklar, vermutlich sei das Auto von einer Windböe erfasst worden, sagte ein Sprecher der Feuerwehr am Abend. Wenn sich das bestätigt, wäre er das neunte Opfer des Orkans.
Tote in mehreren Ländern
In den Niederlanden kamen drei Menschen durch umstürzende Bäume ums Leben, darunter war auch ein Radfahrer. Grossbritannien meldete ebenfalls drei Todesopfer. In London wurde erstmals die höchste Warnstufe Rot ausgerufen. In Irland starb ein Mann infolge des Orkantiefs.
In Frankreich wurden mindestens elf Menschen verletzt. Im Norden des Landes waren am Abend rund 130'000 Haushalte ohne Strom.
Umgekippte Autos und umgestürzte Bäume
In Thüringen brachten Sturmböen Fahrzeuge nördlich von Erfurt wie Spielzeuge zum Umkippen. Auf der Bundesstrasse 4 bei Greussen sei ein Auto mit Anhänger von der Strasse geblasen worden, sagte ein Sprecher der Landeseinsatzzentrale in Erfurt. Bei Straussfurt kippte der Wind einen Transporter um. Menschen wurden hier nicht verletzt.
Ein Baum stürzte in Osthessen nach Angaben der Polizei in Fulda auf ein Auto – die Fahrerin wurde leicht und der Beifahrer schwer verletzt. Weil ein Baukran in Aurich in Ostfriesland umzukippen drohte, mussten dort zwei Einfamilienhäuser evakuiert werden. «Er drehte und neigte sich erheblich», sagte ein Feuerwehrsprecher. Der Kran konnte gesichert werden. In Hamburg stürzte ein Baum auf parkende Autos und verletzte ein Kind leicht, das mit seinem Fahrrad unterwegs war.
Stürmisch bis mindestens Montag
Laut DWD sollte der Orkan etwa gegen Mitternacht die Nordseeküste erreichen. Es ist die zweite schwere Sturmlage in Deutschland innerhalb kurzer Zeit. Mindestens bis Montag soll es stürmisch bleiben, wie es vom DWD heisst. «Es kehrt einfach keine Ruhe ein», sagte ein Meteorologe.
Schwerpunkt der aktuellen Unwetterlage sollte den Experten zufolge bis Samstagfrüh die Nordhälfte Deutschlands sein. Der DWD hatte aber auch für südlichere Regionen – Teile von Rheinland-Pfalz, Hessen und für nördliche Regionen Bayerns – Unwetterwarnungen vor orkanartigen Böen herausgegeben.
Fern- und Regionalverkehr wurden in Norddeutschland und in Nordrhein-Westfalen nach und nach eingestellt. Der Schutz der Reisenden und der Beschäftigten habe Vorrang, hiess es. Fahrgäste können ihre für den Zeitraum von Donnerstag bis Sonntag gebuchten Fahrkarten bis zum 27. Februar flexibel nutzen oder kostenfrei stornieren, wenn sie Reisen wegen des Sturms verschieben.
Die Meteorologen erwarteten an der Nordseeküste Windgeschwindigkeiten von bis zu 160 Stundenkilometern. In der zweiten Nachthälfte sollte «Zeynep» auf die Ostseeküste treffen und dann allmählich nachlassen. Damit sei die Unwettergefahr erst einmal gebannt, auch wenn es stürmisch bleibe, sagte ein DWD-Meteorologe.
Sturmflut an der Nordsee erwartet
An der Nordseeküste wurde eine Sturmflut erwartet, in Hamburg nach der Prognose des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) eine schwere Sturmflut mit Wasserständen von drei Metern über dem normalen Hochwasser in der Nacht zu Samstag. Der höchste Wasserstand werde wahrscheinlich zwischen 5.00 Uhr und 6.00 Uhr am Samstagmorgen erreicht, sagte Bernd Brügge vom BSH.
An der Nordseeküste spricht man von einer Sturmflut, wenn das Hochwasser mindestens 1,5 Meter höher als normal aufläuft. Von einer schweren oder sehr schweren Sturmflut wird erst ab Werten von 2,5 beziehungsweise 3,5 Meter gesprochen. Am frühen Freitagmorgen war der Fischmarkt in Hamburg-Altona bereits überspült worden.
Rekordwert an Windstrom
Das vorausgegangene Orkantief «Ylenia» brachte nach einer Analyse des Energiekonzerns Eon einen Windstrom-Rekordwert. Am Mittwoch sei mit 47,12 Gigawatt in der Spitze so viel Windstrom in das deutsche Stromnetz eingespeist worden wie nie zuvor, hiess es von Eon in München nach Auswertung von Daten der Bundesnetzagentur. Erreicht worden sei der neue Höchstwert am Mittwochabend.
In dem vorherigen Sturm waren mindestens drei Autofahrer in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bei wetterbedingten Unfällen gestorben: Zwei wurden von umstürzenden Bäumen erschlagen, ein dritter starb, als sein Anhänger im Sturm auf die Gegenfahrbahn geriet und es dabei zu einem Unfall kam.
Allein «Ylenia» könnte Deutschlands Versicherer eine halbe Milliarde Euro kosten, schätzte die auf Versicherungsmathematik spezialisierte Unternehmensberatung Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) in Köln. Nahezu alle Regionen Deutschlands seien von dem Sturm getroffen worden, teilten die Experten am Freitag mit. Eine Schadensumme dieser Grösse komme alle ein bis zwei Jahre vor.