Prozess gegen Halle-Attentäter auf der Zielgeraden
Der Prozess um den Anschlag auf die Synagoge in Halle (D) befindet sich nach vier Monaten auf der Zielgeraden.

Das Wichtigste in Kürze
- Heute Dienstag wurden im Halle-Prozess weitere Zeugen angehört.
- Die Beweisaufnahme soll voraussichtlich am Mittwoch geschlossen werden.
- Der Angeklagte sei voll schuldfähig, ohne Zeichen auf Bewusstseinsstörungen.
Nach vier Monaten befindet sich der Prozess um den Anschlag auf die Synagoge in Halle auf der Zielgeraden. So könnte am Mittwoch die Beweisaufnahme in der Verhandlung gegen den mutmasslichen Attentäter Stephan B. vor dem Oberlandesgericht Naumburg (OLG) geschlossen werden. Dies, nachdem am Dienstag weitere Zeugen gehört und Anträge beraten wurden – womöglich könnten dann am Mittwoch die Plädoyers beginnen.

Am Dienstag schilderte der Anisemitismusexperte Benjamin Steinitz nochmals die Auswirkungen des Anschlags von Halle auf die jüdischen Gemeinden in Deutschland. Der Anschlag habe das «Gefühl von Unsicherheit und Bedrohung» verstärkt. «Die Tat ereignete sich nicht im gesellschaftlichen Vakuum. Sie war für die jüdische Community eine weitere Tat in einer langen Kette», so Steinitz in seiner Zeugenaussage.
Psychiatrisch zu voll schuldfähig erklärt
Er verwies auch darauf, dass die Tat eine «enorme Welle von Solidaritätsbekundungen» ausgelöst habe. Es gäbe keine Hinweise auf Bewusstseinsstörungen und eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten.
Dies bestätigt der psychiatrische Gutachter Norbert Leygraf in einer weiteren Zeugenaussage. In seinem Gutachten hatte Leygraf B. für voll schuldfähig erklärt.
Versuchter Mord bei Flucht
Zuvor hatte die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens einen Antrag der Verteidigung auf Aussetzung des Verfahrens abgelehnt. Hintergrund des Antrags war das Ansinnen einiger Anwälte der Nebenklage, einen Unfall während der Flucht des mutmasslichen Halle-Attentäters B. als versuchten Mord zu werten.
B. hatte nach dem Anschlag auf die Synagoge mit seinem Fluchtwagen einen Mann aus Somalia gestreift und verletzt.
Fortsetzungstermine bis im Dezember
Sollte die Beweisaufnahme am Mittwoch beendet werden, könnte die Bundesanwaltschaft ihr Plädoyer halten. Anschliessend plädieren die mehr als 20 Vertreter der Nebenklage, bevor die Verteidigung das Wort hat. Bislang sind Fortsetzungstermine bis Dezember eingeplant.

Dem Angeklagten B. werden unter anderem zweifacher Mord, mehrfacher Mordversuch und Volksverhetzung sowie weitere Straftaten zur Last gelegt.
Bewaffneter Angriff auf Synagoge an Jom Kippur
Er soll am 9. Oktober vergangenen Jahres während der Feierlichkeiten zum jüdischen Feiertag Jom Kippur versucht haben, bewaffnet in die Synagoge in Halle einzudringen. Und die dort versammelten Menschen zu töten.
Als ihm dies nicht gelang, erschoss der 28-Jährige auf offener Strasse eine Passantin und einen jungen Mann in einem Dönerimbiss. Auf der anschliessenden Flucht verletzte er weitere Menschen, bevor er gefasst werden konnte.
Ausgerüstet mit Waffen und Sprengstoff
Seine Taten filmte der mit mehreren Waffen und Sprengstoff ausgerüstete B. und stellte die Aufnahmen live ins Netz.
B. räumte die Tatvorwürfe zum Prozessauftakt grundsätzlich ein. Der Prozess findet aus Sicherheits- und Platzgründen im Landgericht Magdeburg statt.