Polizei räumt das von Klimaaktivisten besetzte Dorf Lützerath
Gegen den Widerstand von Klimaaktivisten hat am Mittwoch der Grosseinsatz zur Räumung des besetzten Dorfs Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier begonnen.
Das Wichtigste in Kürze
- Umweltschützer kritisieren Räumung - Politik verurteilt Gewalt gegen Polizei.
Drei Einsatzkräfte sowie zwei Aktivisten seien im Verlauf des Tages verletzt worden, teilte die Polizei Aachen am Abend mit. Überdies habe es zwei Festnahmen von Aktivisten gegeben. Zahlreiche Umweltschützer und Prominente kritisierten den Einsatz der Polizei.
Die Polizei umstellte den Ort laut einem Sprecher am Mittwochmorgen, «um die Lage stabil zu bekommen». Anschliessend begann sie damit, den Bereich zu umzäunen. Nach Angaben der Klimaaktivisten besetzten die Protestierenden ihre Blockadeorte – vor allem leerstehende Gebäude und Baumhäuser.
Die Polizei vermutet «mehrere hundert» Aktivisten in dem Ort. Es wird laut dem Sprecher mit einem länger andauernden Einsatz gerechnet. Polizeiangaben zufolge gab es kurz nach Beginn der Räumung gewalttätige Zwischenfälle – es flogen demnach Molotowcocktails, Pyrotechnik und Steine in Richtung der Einsatzkräfte. Laut Polizei wurden zwei Menschen festgenommen und Strafverfahren eingeleitet.
Den Angaben zufolge wurde ein Polizeibeamter durch einen Steinwurf leicht verletzt, zwei weitere Einsatzkräfte erlitten leichte Verletzungen beim Widerstand der Aktivisten. Überdies seien zwei Aktivisten verletzt worden, teilte die Polizei mit.
Die Bundesregierung verurteilte die gewaltsamen Ausschreitungen. Es gebe eine «eindeutige Rechtslage», und die gelte es zu akzeptieren, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Kritik kam auch von Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU). Er forderte die Klimaaktivisten auf, sich von den «Chaoten» zu distanzieren. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, sie habe «null Verständnis für Gewalt».
Die Polizei appellierte an die Aktivisten, friedlich zu bleiben und verwies auf die Möglichkeit, den Ort freiwillig zu verlassen. Nach Angaben der Polizei vom Abend liessen sich mehr als 200 Menschen «aus dem abgesperrten Bereich eskortieren». Daraufhin hätten die Einsatzkräfte erste Gebäude geräumt, «mehrere Personen aus dem Bereich gebracht» und Barrikaden abgebaut.
Einsatzleiter Wilhelm Sauer zeigte sich «sehr zufrieden mit dem Verlauf des heutigen Einsatzes». Trotz gewaltsamer Zwischenfälle habe die Polizei die Lage «schnell stabilisieren» können, erklärte er.
Wie an den Protesten beteiligte Klimaaktivisten berichteten, wehrten diese sich mit Barrikaden und Menschenketten gegen die laufende Räumung. Der Aktionsticker Lützerath berichtete, dass Polizisten weit in das Dorf vorgedrungen seien und auch die Zeltwiese der Aktivisten bereits erreicht hätten.
Bei einer als «Gegenschlag» bezeichneten Aktion habe ein Dutzend Menschen den Zugang in den Tagebau bei Jackerath blockiert. Demnach seilten sich Aktivisten von einer alten Autobahnbrücke über die Strasse ab. Der Hauptzugang der Polizei zu ihrem Logistiklager im Tagebau sei damit blockiert.
Unter Umweltschützern und Prominenten rief der Räumungseinsatz Kritik hervor. Rund 200 Prominente forderten in einem offenen Brief den Stopp der Räumungsarbeiten – darunter auch Schauspielerin Katja Riemann. Die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer warf der Polizei «Provokation» vor. Der BUND sah in der Räumung und einer möglichen Abbaggerung der Braunkohle ein «fatales Signal».
Der Energiekonzern RWE will den bei Lützerath liegenden Tagebau Garzweiler ausdehnen und die unter dem Ort liegende Kohle abbauen, wozu das von den früheren Bewohnerinnen und Bewohnern verlassene Dorf abgerissen werden muss.
Wie RWE erklärte, sollte am Mittwoch mit dem Rückbau der Siedlung begonnen werden. Als eine der ersten Massnahmen sollte «aus Sicherheitsgründen» der gut anderthalb Kilometer lange Bauzaun aufgestellt werden. Anschliessend könne der nahe Tagebau Garzweiler damit beginnen, die Braunkohle für die Stromerzeugung in den Kraftwerken der Region unter dem ehemaligen Ort freizulegen. RWE appellierte an die Klimaaktivisten, Gewaltfreiheit zu zeigen und den Rechtsstaat zu akzeptieren.