Sigmar Gabriel war Berater für Fleischkonzern Tönnies
Erneut sorgt ein Engagement von Sigmar Gabriel in der Wirtschaft für Wirbel. Der ehemalige Vizekanzler wirkte als Berater für den Fleischkonzern Tönnies. Dies allerdings bevor das Unternehmen durch einen Corona-Ausbruch erneut in die Schlagzeilen geriet.
Das Wichtigste in Kürze
- Der frühere Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) war für den Fleischkonzern Tönnies als Berater tätig.
«Es gab ein dreimonatiges Beratungsverhältnis mit Tönnies», sagte Gabriel am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Vom März bis Mai 2020 habe er für das Unternehmen handelsrechtliche Fragen klären sollen, sagte Gabriel. Zunächst hatte das ARD-Magazin «Panorama» über Gabriels Tätigkeit für Deutschlands grössten Fleischproduzenten berichtet. Im «Spiegel» verteidigte er seine Tätigkeit: «Ich kann an dem Beratungsverhältnis mit einem grossen Arbeitgeber nichts Problematisches erkennen», sagte Gabriel dem Nachrichtenmagazin. «Tönnies macht nichts Verbotenes.» Das Unternehmen bestätigte am Donnerstag Gabriels kurzes Engagement. Dabei sei es um Exportfragen gegangen. Weitere Details wollte ein Sprecher nicht nennen.
Mit Verweis auf entsprechende Dokumente berichtete «Panorama», dass der frühere SPD-Chef offenbar ein Pauschalhonorar von 10.000 Euro im Monat sowie ein zusätzliches vierstelliges Honorar für jeden Reisetag erhielt. Demnach sollte die Tätigkeit auf zwei Jahre angelegt sein. Aus privaten Gründen habe er die Beratung aber beenden müssen, sagte Gabriel. «Für normale Menschen sind 10.000 Euro viel Geld. Aber in der Branche ist das kein besonders hoher Betrag. Ich bin kein Politiker mehr», sagte Gabriel dem «Spiegel» zu seinem Honorar.
Robert Tönnies, der als Gesellschafter neben seinem Onkel Clemens Tönnies 50 Prozent an dem Schlachtkonzern hält, hatte im Februar vor einer Verpflichtung von Gabriel als Berater gewarnt. «Die Verpflichtung ehemaliger Spitzenpolitiker für Unternehmen führt immer wieder zu unangenehmen Fragen der Öffentlichkeit und in Folge zu einem Imageschaden für das betroffene Unternehmen und den ehemaligen Politiker», schrieb der 42-Jährige in einem Brief an die Geschäftsführung. Der Neffe und Clemens Tönnies (64) streiten sich seit Jahren um die Führung des Unternehmens.
Im Stammwerk des Tönnies-Fleischkonzerns im westfälischen Kreis Gütersloh hatten sich im Juni weit mehr als 1000 Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert. Deshalb gab es heftige Kritik an den Arbeitsbedingungen im Unternehmen. Die Anfrage des Konzerns habe er bereits im Februar erhalten, sagte Gabriel der dpa. Inhaltlich sei es dabei um ein drohendes Exportproblem im Zusammenhang mit der Afrikanischen Schweinepest gegangen. Dem «Spiegel» erklärte er, dass er seine Tätigkeit nicht als Lobbyarbeit begriffen habe.
Die aktuelle SPD-Spitze reagierte mit Befremden auf das Engagement Gabriels. «Ehemalige Vorsitzende sind der SPD keine Rechenschaft schuldig, wenn sie nach ihrer aktiven Zeit Tätigkeiten für andere aufnehmen», betonten die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland zwar. Die beiden sagten aber auch: «Für jeden aufrechten Sozialdemokraten ergibt sich dabei aus unseren Grundwerten, an wessen Seite man sich begibt und wo man besser Abstand hält». Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nannte Gabriels Tönnies-Engagement «befremdlich und peinlich».
Dem «Spiegel» sagte Gabriel, dass er die Reaktion der SPD-Parteichefs nicht ernst nehmen könne. «Beide gehören auch zu denen, die heute laut Kritik üben, sich damals aber keinen Deut um die Fleischindustrie gekümmert haben», sagte Gabriel.
Mit deutlicher Kritik reagierte die Linken-Spitze auf den Beratervertrag. «Das rundet das Gesamtbild von Sigmar Gabriel ab. Er hat keine Skrupel, als Sozialdemokrat für einen der grössten Ausbeuter zu arbeiten», sagte der Parteivorsitzende Bernd Riexinger dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, nannte die Kombination von «Hungerlöhnen und fetten Honoraren bei Milliardär Tönnies unfassbar».
In diesem Jahr hatte bereits Gabriels Berufung in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank viel Kritik ausgelöst - wie so oft, wenn frühere Spitzenpolitiker in die Wirtschaft wechseln. Gabriel war bis 2017 SPD-Chef, bis 2018 Aussenminister und bis November 2019 Abgeordneter im Bundestag.