Sparkassen und Volksbanken expandieren

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Deutschland,

Sparkassen und Volksbanken haftet der Ruf der Langeweile an. Doch die vermeintlichen Provinzbankiers expandieren seit Jahren auf Kosten der Grossbanken. Die aktuelle Strategie allerdings birgt Gefahren.

Ein Sparkassenlogo hängt an der Fassade einer Filiale. Foto: Arne Bänsch
Ein Sparkassenlogo hängt an der Fassade einer Filiale. Foto: Arne Bänsch - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Deutschland haben ihre Marktanteile in Deutschland in den vergangenen Jahren auf Kosten der privaten Grossbanken deutlich ausgebaut.

Mit einer starken Ausweitung des Kreditgeschäfts haben die kommunalen Geldhäuser sowie die Volks- und Raiffeisenbanken expandiert. «In Zeiten, in denen der Mittelstand das Gefühl hat, andere verlassen uns, müssen wir unser Firmenkundengeschäft ausbauen und Marktanteile gewinnen», sagt der Präsident des Sparkassenverbands Bayern, Ulrich Netzer.

Das Kreditgeschäft wächst flott: Die bayerischen Sparkassen hatten Ende 2018 fünf Milliarden Euro mehr in den Kreditbüchern stehen als ein Jahr zuvor, ein Plus von 4,1 Prozent. Die Volks- und Raiffeisenbanken im Freistaat verliehen 5,9 Milliarden mehr als 2017, ein Zuwachs von über sechs Prozent. Die ostdeutschen Sparkassen meldeten sieben Prozent mehr Kredite, die niedersächsischen ein Plus von 3,8 Prozent. Möglich ist das, weil die Kundschaft gleichzeitig trotz sehr niedriger Zinsen stetig mehr Geld zu Sparkassen und Volksbanken trägt. Die Einlagen wachsen, ebenso das Eigenkapital.

Die Sparkassen bezifferten ihren bundesweiten Marktanteil am deutschen Bankgeschäft 2012 auf 15,6 Prozent, 2017 waren es 17 Prozent. Auch die Genossenschaftsbanken melden steigende Marktanteile im Kreditgeschäft mit Firmen- und Privatkunden. Ungeachtet sprudelnder Kreditvergabe lassen die Regionalbanken offenkundig nach wie vor Vorsicht walten: «Es ist nicht zu erkennen, dass die Sparkassen und Volksbanken besonders leichtsinnig würden», sagte kürzlich Volker Ulbricht, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsauskunftei Creditreform.

«Unter dem Strich ist es erstaunlich, wie anpassungsfähig die deutschen Regionalbanken sind, sie sind in der Substanz heute gut aufgestellt», sagt Heinz-Gerd Stickling, Bankenexperte bei der auf den Finanzsektor spezialisierten Unternehmensberatung ZEB in Münster. «Sie haben in den vergangenen Jahren auf Kosten der Privatbanken permanent Marktanteile im Firmenkundengeschäft gewonnen, und das in einer Zeit, in der das Kreditgeschäft insgesamt lange stagnierte.» Das Problem: «Allerdings können sie den sinkenden Zinsmargen nur entgegentreten, wenn sie Volumen pumpen und wachsen, wachsen, wachsen», sagt Stickling. «Wenn das kippt, wird es spannend.»

Bislang ist es den Regionalbanken gelungen, die negativen Folgen der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank abzufedern. Sowohl Sparkassen als auch Genossenschaftsbanken leben hauptsächlich vom Zinsüberschuss. Und da die Zinsspanne alljährlich sinkt, bleibt ungeachtet steigender Bilanzsummen unter dem Strich weniger übrig. Bei den bayerischen Sparkassen etwa sanken die Nettogewinne 2018 um 4,5 Prozent auf 343 Millionen Euro.

Doch rote Zahlen gibt es bisher nicht. «Wenn man schaut, welche Entwicklung der Betriebsergebnisse wir noch vor vier, fünf Jahren prognostiziert haben, dann ist der Schwung nach unten deutlich schwächer ausgefallen als wir das erwartet haben», sagt der bayerische Sparkassenpräsident Netzer.

Dazu massgeblich beigetragen haben die Sparer: «Sowohl absolut wie auch relativ hat sich der Zinsüberschuss in den vergangenen zehn Jahren gar nicht so sehr bewegt», sagt Thomas Schnarr, Leiter des Bereichs Finanzdienstleistungen bei der Unternehmensberatung Oliver Wyman. «Die Zinsen, die die Banken an ihre Kunden zahlen, sind in diesem Zeitraum ja ebenfalls stark nach unten gegangen und in vielen Fällen auf null gesunken.»

Die Expansion im Kreditgeschäft und Tiefstzinsen für Sparer allein reichen aber nicht, um die Folgen der Nullzinspolitik aufzufangen. Deshalb haben die Institute ihre Provisionen erhöht und in grossem Stil Personal abgebaut. Die Sparkassen beschäftigten Ende 2018 rund 36.000 Menschen weniger als 2012, bei den Genossenschaftsbanken war es ein Minus von über 17.000 Arbeitsplätzen.

In einem permanenten Konzentrationsprozess fusionieren alljährlich Dutzende schwächerer Häuser mit stärkeren. Abgesehen von tausenden Filialschliessungen sind seit 2012 insgesamt 264 einst eigenständige Genossenschaftsbanken und Sparkassen vom Markt verschwunden.

Die Zinsmargen werden voraussichtlich in den kommenden Jahren weiter sinken, doch weder Gebühren noch Kreditgeschäft lassen sich ins Unendliche ausweiten. Das wirft die Frage auf, ob und wie lange Sparkassen und Genossenschaftsbanken den Tiefzinsen widerstehen können, bevor eine grössere Anzahl ins Minus rutscht. Zwar werde die Zinsspanne wohl bis 2023 weiter sinken, sagte Jürgen Gros, Chef des bayerischen Genossenschaftsverbands. Die internen Modellrechnungen des Verbands aber zeigten, dass bis dahin keine roten Zahlen drohen.

Eine Sorge: Sollte die Konjunktur einbrechen, würde das die Regionalbanken sofort treffen. Die Nachfrage nach neuen Krediten würde sinken und das Ausfallrisiko bestehender Kredite steigen. «Wenn die Zinsen noch fünf Jahre so niedrig bleiben und die Konjunktur sich eintrübt, wird es eng», warnt Stickling.

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