Bundesweite Standards für Corona-Schutz am Arbeitsplatz
Bevor in der kommenden Woche wieder mehr Geschäfte öffnen dürfen, hat die Bundesregierung neue Regeln aufgestellt für mehr Infektionsschutz am Arbeitsplatz. Vorbild sind die Supermärkte, die mit Klebestreifen und Scheiben an den Kassen Vorkehrungen getroffen haben.
Das Wichtigste in Kürze
- Arbeitnehmer in Deutschland müssen sich wegen der Corona-Krise auf strengere Hygiene- und Infektionsschutzvorgaben am Arbeitsplatz einstellen.
Für die schrittweise Rückkehr von mehr Beschäftigten sollen künftig neue bundesweit einheitliche Regeln greifen, die das Bundeskabinett am Donnerstag beschloss. «Wer in diesen besonderen Zeiten arbeitet, braucht auch besonderen Schutz», sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Berlin.
Konkret wird unter anderem grundsätzlich vorgegeben, dass ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zu anderen Menschen auch bei der Arbeit einzuhalten ist - und zwar in Gebäuden, im Freien und in Fahrzeugen. Dafür müssten Absperrungen, Markierungen oder Zugangsregelungen umgesetzt werden. Wo dies nicht möglich ist, seien alternativ etwa Trennwände zu installieren. Ist auch das nicht machbar, sollen die Arbeitgeber Nase-Mund-Bedeckungen für die Beschäftigten und auch für Kunden und Dienstleister zur Verfügung stellen. In vielen Supermärkten würden Schutzkonzepte bereits vorbildlich umgesetzt, sagte Heil und verwies auf Bodenmarkierungen und installierte Plexiglasscheiben an den Kassen.
Die Arbeitsabläufe in den Unternehmen sollen so organisiert werden, dass Beschäftigte möglichst wenig direkten Kontakt zueinander haben. Dies gelte etwa für Pausen, Schichtwechsel oder Anwesenheit im Büro. Für Beschäftigte gelte der Grundsatz: «Niemals krank zur Arbeit», sagte Heil. Wer Symptome wie leichtes Fieber habe, solle den Arbeitsplatz verlassen oder zu Hause bleiben, bis der Verdacht ärztlich aufgeklärt ist.
Es handele sich um verbindliche Regeln, sagte Heil. Die Behörden würden die Einhaltung auch stichprobenartig kontrollieren. Man gehe aber davon aus, dass sich die Unternehmen an die Vorgaben halten. Bei den Beratungen zu den neuen Regeln seien Arbeitgeber und Gewerkschaften mit an Bord gewesen. Es gehe nicht darum, die Wirtschaft mit Ordnungswidrigkeitenandrohungen zu belasten.
Vor allem viele kleinere Unternehmen, die demnächst ihren Betrieb wieder aufnehmen, stünden vor der Herausforderung, Arbeitsschutz mit Hygiene und Gesundheitsschutz zusammenzubringen, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Stefan Hussy. Man wolle diesen beratend zur Seite stehen, weil sie anders als grosse Unternehmen keine eigenen Experten dafür hätten.
Bund und Länder hatten am Mittwoch vereinbart, dass von der kommenden Woche an Läden mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern unter Auflagen wieder öffnen können - sowie unabhängig von der Ladengrösse Kfz-Händler, Fahrradhändler und Buchhandlungen. Die Flächenbegrenzung begründete Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) am Donnerstag im ARD-«Morgenmagazin» damit, dass es in den Innenstädten insgesamt nicht zu voll werden dürfe und grosse Geschäfte häufig Publikumsmagnete seien.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) begrüsste die vom Kabinett beschlossenen Arbeitsschutzstandards. Die einheitlichen Regeln seien eine wichtige Voraussetzung dafür, dass das Wirtschaftsleben langsam und kontrolliert wieder in Gang komme und auch in der Automobilindustrie die Produktion schrittweise wieder hochgefahren werden könne, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller.
Viele Handelsketten wollen ihre Geschäfte bereits am Montag - unter verschärften Hygienemassnahmen - wieder öffnen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag ergab. Der Textildiscounter Kik will demnach bis zu 95 Prozent seiner mehr als 2600 Filialen in Deutschland wieder in Betrieb nehmen. Auch der Modehändler Gerry Weber will alle Filialen unter 800 Quadratmetern Fläche wieder öffnen. Deutschlands grösste Buchhandelskette Thalia will ihre Läden soweit möglich am Montag ebenfalls wieder öffnen.
Die von vielen lang ersehnte Öffnung von Friseurläden soll vom 4. Mai an wieder möglich sein - allerdings nur unter strengen Hygieneauflagen, «zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen» und unter Nutzung persönlicher Schutzausrüstung, wie es von Bund und Ländern hiess. Wie das konkret aussehen soll, darüber seien die zuständige Berufsgenossenschaft und der Zentralverband des Friseurhandwerks momentan in der Abstimmung, sagte Hussy. Zum Wochenende hin ist seinen Angaben zufolge mit einer gemeinsamen Empfehlung an die Frisörläden zur praktischen Umsetzung der Auflagen zu rechnen.