Streng geheim: Ein Masterstudiengang für Spione

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Deutschland,

Seit dem 1. Juli studieren 50 Nachwuchs-Agenten in Berlin «Geheimdienst- und Sicherheitsstudien». Es geht um Grundlagen und Theorie für Spione - und die Glaubwürdigkeit der Nachrichtendienste.

Es ist der geheimste Masterstudiengang Deutschlands: «Intelligence and Security Studies» (MISS) - auf deutsch: «Geheimdienst- und Sicherheitsstudien». Foto: Wolfgang Kumm
Es ist der geheimste Masterstudiengang Deutschlands: «Intelligence and Security Studies» (MISS) - auf deutsch: «Geheimdienst- und Sicherheitsstudien». Foto: Wolfgang Kumm - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Luisa W. ist 29, seit zehn Jahren arbeitet sie beim Bundesnachrichtendienst (BND).

Die junge Frau hat Analysen im Bereich islamistischer Terrorismus geschrieben, als Agentin im Ausland gearbeitet und auch in einer Stabsstelle in der BND-Zentrale.

Seit kurzem ist sie eine von 50 Studentinnen und Studenten im geheimsten Masterstudiengang Deutschlands: «Intelligence and Security Studies» (MISS) nennt sich das neue Projekt - auf Deutsch: «Geheimdienst- und Sicherheitsstudien». Am 1. Juli hat das Kernstudium am Rande des hochgesicherten BND-Neubaukomplexes mitten in Berlin begonnen.

Luisa W. und ihre Kommilitonen sind nicht ganz normale Studenten, wie sie sonst in den Hörsälen sitzen. Zum neuen Masterstudium sind nur Mitarbeiter der Geheimdienste oder Bundeswehrsoldaten zugelassen, die vor allem im militärischen Nachrichtendienst eingesetzt sind und deswegen Schnittpunkte zur Arbeit der Geheimdienste haben.

Wenn die jungen Frauen und Männer in ihre hochmodernen Hörsäle wollen, müssen sie sich durch spezielle Sicherheitsschleusen in das Gebäude an der Berliner Chausseestrasse zwängen. Zugang erhält ohnehin nur, wer die schärfste Sicherheitsüberprüfung bestanden hat, die es für deutsche Geheimdienste und Behörden gibt: Ü3. Die gilt für Personen, die Zugang zu als «streng geheim» eingestuften Akten oder Daten haben. Nicht nur das persönliche Umfeld wird dabei überprüft, zusätzlich werden auch Referenzpersonen befragt.

Im Kanzleramt hat man vor etwa vier Jahren angefangen, den Studiengang zu planen. Er ist auch Konsequenz aus den Skandalen, die es damals etwa beim BND gegeben hat - zum Beispiel den recht laxen Umgang mit der Überwachung elektronischer Kommunikation und weltweiter Datenströme.

Kanzleramtschef Helge Braun sieht in dem Studiengang einen «zentralen Beitrag zur Professionalisierung unserer Nachrichtendienste». Die Anforderungen seien riesig, sagte er bei einem Festakt zu dessen Start am Mittwoch. Die Bevölkerung erwarte, dass sie grosse Sicherheitsrisiken aufklärten. Dabei werde auf einer komplexen rechtlichen Grundlage gearbeitet. Hinzu kämen die immer komplexer werdende technische Aufklärung, Psychologiekenntnisse und analytische Fähigkeiten. Das Zusammenwirken unterschiedlichster Sicherheitsbehörden gebe es sonst in keinem Land in dieser Form.

BND-Präsident Bruno Kahl lobte, mit dem Studiengang entstehe der «wichtigste Ausbildungshub der deutschen Geheimdienst-Gemeinschaft». Er leiste einen Beitrag zum fruchtbaren Austausch zwischen Theorie und Nachrichtendienst-Praxis.

Jan-Hendrik Dietrich von der Hochschule des Bundes (HS Bund) schlägt in die gleiche Kerbe: «Es geht um mehr professionelle und kritische Auseinandersetzung mit den Aufgaben der Nachrichtendienste im Spannungsfeld zu immer lauteren Forderung nach Transparenz.» Der Professor leitet den Studiengang - ein Gemeinschaftsprojekt der HS Bund mit der Universität der Bundeswehr München.

23 Professoren bilden die Nachwuchs-Spione in Berlin weiter, 5 sind es in München. Insgesamt 9 neue Professuren sind für den neuen Studiengang eingerichtet worden, sagt Dietrich. Vor allem Juristen, Psychologen, Politologen, Historiker und Islamwissenschaftler sind darunter.

Von den 50 Studentinnen und Studenten, die in den neu eingerichteten Räumen in Berlin ihr Studium aufgenommen haben, kommen 30 aus der Bundeswehr, 10 aus dem BND, 6 aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz und 3 aus Landesämtern für Verfassungsschutz. In den kommenden Jahren soll die Zahl der Studierenden auf bis zu 80 wachsen.

Im Propädeutikum - eine Art sechsmonatiges Grundstudium, das in München stattfindet und für alle Pflicht ist - gibt es eine Einführung in die Geheimdienstarbeit. Die Studenten müssen sich mit ethischen Fragen wie Menschenrechten und Sicherheit befassen oder einer Einführung in technische Fragen der Digitalisierung.

Im Hauptstudium können die angehenden Spione dann unter Modulen wählen, die vor allem an der Geheimdienstpraxis ausgerichtet sind. Da geht es unter anderem um die Methoden der Agentenarbeit wie das Sammeln und Auswerten von Informationen oder die Frage, wie Kanzlerin Angela Merkel oder andere Regierungsmitglieder mit den Informationen arbeiten, die der BND für sie zusammenstellt.

Vor allem auf praktische Anwendungen der Spionage wird auch im Hauptteil des Studiums Wert gelegt: Es gibt ein voll eingerichtetes Studio, in dem die Studenten üben können, wie sie richtig und einfühlsam mit menschlichen Quellen umgehen. Fingerspitzengefühl und psychologisches Wissen sind gefragt, wenn sie später in der Realität mit solchen Informanten umgehen. Drei Kameras nehmen die Gesprächssituation auf, später kann mit den angehenden Master-Spionen besprochen werden, was sie hätten besser machen können.

Im Modul «Cyber Security» sollen bei den Geheimdiensten angestellte Hacker zeigen, was so alles im Dienst des Staates möglich ist. Auch wenn sich der Nachrichtendienst-Nachwuchs später im Studium auf spezielle Bereiche konzentriert, stehen Themen auf dem Lehrplan, die aus der Praxis kommen: Die Abwehr von Cyber-Angriffen beispielsweise, politischer Extremismus, Terrorismusbekämpfung oder Terrorismusforschung.

Luisa W. sieht den neuen Studiengang vor allem als Chance. «Ich möchte noch besser werden bei meiner Arbeit», sagt sie. Mehr Grundlagenwissen sei dafür nötig und mehr theoretischer Hintergrund, um die Dinge wirklich einordnen zu können. Schon als Abiturientin habe sie gewusst, dass sie Agentin werden wolle, sagt die junge Frau. Und was macht den Reiz an der Arbeit aus, von der aus Sicherheitsgründen nur die engsten Familienangehörigen wissen dürfen? «Für mich war immer klar: Ich möchte einen Job haben, bei dem ich mir sicher bin, dass ich jeden Tag etwas tue, das Bedeutung hat.»

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