Sylt-Skandalparty: «Ausländerfeindlichkeit wird so normalisiert»

Karin Aebischer
Karin Aebischer

Deutschland,

Naziparolen auf einer Party auf Sylt, kurze Zeit später am Ballermann. Ist Rassismus salonfähig geworden? Extremismus-Experte Dirk Baier findet klare Worte.

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Rot eingekreist: der Mann, der auf Sylt Hitlergesten macht. - Instagram/pony_kampen

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Gruppe Deutscher feiert auf Sylt – und schockiert mit Nazi-Gesten und -Parolen.
  • Der Gesang zu «L'amour toujours» schwappt auf andere Parties über.
  • Experte Dirk Baier warnt: Damit wird Ausländerfeindlichkeit popularisiert.

«Deutschland den Deutschen. Ausländer raus». Diese Worte zu Gigi D'Agostinos Hit «L' amour toujours» haben die Ferieninsel Sylt in ein anderes Licht gerückt und für grosse Entrüstung gesorgt.

Ein Video zeigt eine Gruppe gut angezogener, feiernder junger Menschen in der Pony-Bar auf Sylt, welche rassistische Parolen brüllen und mutmasslich die Hand zum Hitlergruss heben.

Wenige Tage später dieselben Szenen am Ballermann auf Mallorca. Dann die Nachricht von den Oktoberfest-Organisatoren aus München: «L' amour toujours» wird auf den Wiesn 2024 verboten sein.

Ist Ausländerfeindlichkeit bei den Deutschen salonfähig geworden? Extremismus- und Gewalt-Experte Dirk Baier kann das nicht vollends abstreiten: «In Deutschland scheinen tatsächlich gewisse Hemmungen gefallen zu sein, ausländerfeindliche oder andere menschenfeindliche Haltungen offen zur Schau zu stellen», erklärt er gegenüber Nau.ch.

Es gehe dabei weniger darum, dass aktuell viel mehr Menschen als früher ausländerfeindlich wären, betont er. Es gehe eher darum, dass diejenigen, die so denken, auch verbal, teilweise auch physisch handeln. «Also entsprechende Slogans brüllen oder ausländisch aussehende Personen angreifen. Dies ist ein schlechtes Zeichen für die politische Kultur; eine Art Verrohung ist festzustellen», so der Kriminologe.

Baier: «Hat sich deutlich etwas verändert»

Der Aufruhr nach den Nazi-Gesängen hat, statt abzuschrecken, Nachahmer auf den Plan gerufen. Zu gewöhnlicher Tanzmusik ausländerfeindliche Parolen zu schreien und dabei Nazi-Symoblik zu verwenden – das sei bislang keine typische Partysituation, sagt Dirk Baier.

Zwar gebe es schon lange rechte Konzerte, wo sich Rechtsextreme treffen und rechtsextreme Musik hören. Was in Sylt und in anderen Orten geschehen ist, sei aber etwas anderes.

«Ausländerfeindlichkeit wird hier popularisiert. Das heisst sie wird dort zur Schau gestellt, wo sie bislang nicht offen zu finden war. Sie wird dadurch normalisiert», führt Baier aus. Wenn man auf einer völlig unpolitischen Party plötzlich hochpolitische und hochproblematisch Inhalte von sich gibt, dann habe sich «deutlich etwas verändert».

Verfolgst du den Party-Skandal von Sylt, der sich nun ausweitet?

Bei allen «Ausländer raus»-Gesängen handle es sich um Gruppen-Situationen. Dabei würden einzelne Personen Dinge tun, die sie sonst nicht tun würden. Sie würden von der Stimmung mitgerissen werden.

Baier geht davon aus, dass viele Anwesende in Sylt und anderswo «keine überzeugten Rechtsextremen waren». Doch er warnt: «Es ist aber ein schlechtes Zeichen, wenn allein das Spielen eines Lieds ausreicht, dass einzelne Personen ausländerfeindliche Parolen zu grölen beginnen und weitere Personen dann miteinstimmen – und niemand sagt ‹jetzt reichts›.»

Doch das Feindbild Ausländer und die Stimmung in Deutschland, die derzeit sehr zuwanderungs- und politikskeptisch sei, führe anscheinend zu solchen Auswüchsen.

Baier hat aber auch etwas Hoffnung. Denn zum einen würden die Party-Veranstalter durch die Vorfälle und die Diskussionen darüber aktiver und sensibler gegenüber solchen Gästen und Vorfällen. Zum anderen könne es auch mehr Zivilcourage auslösen, wenn über solche Skandale gesprochen wird.

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