Verdacht des Machtmissbrauchs in Österreich - ÖVP im Visier
Die Regierungsjahre von Ex-Kanzler Sebastian Kurz waren für seine ÖVP glänzende Zeiten. Wahlerfolge und Einfluss ohne Ende. Jetzt wird untersucht, welcher Methoden sich die Konservativen bedient haben.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Bezeichnung ist eine Bürde für den Ruf: «ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss».
Österreichs mächtige konservative Regierungspartei soll in der Zeit von Ex-Kanzler Sebastian Kurz selbstherrlich Posten in- und ausserhalb der Politik an Parteifreunde vergeben haben.
Ein Team um den einst von Konservativen in ganz Europa gefeierten Kurz soll obendrein dessen Aufstieg mit Inseraten und geschönten Umfragen unterstützt haben. «Ein kleiner Machtzirkel um Sebastian Kurz hat das ganze Land getäuscht», befand die Grünen-Abgeordnete Nina Tomaselli zum Start des U-Ausschusses am Mittwoch. Die jungen Männer um Kurz hätten auch Superreichen bei Behörden Vorteile verschafft.
Ein weiteres Kapitel der Aufklärung
Mit dem Auftritt von Kanzler Karl Nehammer, der auch designierter ÖVP-Chef ist, begann im U-Ausschuss ein weiteres Kapitel der Aufarbeitung der Ära Kurz. Dabei setzte Nehammer zunächst auf einen Appell zu einem respektvolleren Umgangston im Politikgeschäft. In den Zeiten seines Vor-Vorgängers waren die Gräben zwischen Regierung und Opposition sehr tief geworden. Im Ausschuss bekannte sich der seit drei Monaten regierende Kanzler zu mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung und bei der Vergabe von Inseraten durch Ministerien und Kanzleramt. Nehammer hatte schon im Vorfeld einen gewissen Kurswechsel angedeutet. «Mit mir wird es in künftigen Regierungen keine geheimen Vereinbarungen ausserhalb des Regierungsprogramms geben», sagte er mit Blick auf sogenannte Sideletters.
Die Opposition will den Ausschuss, der inhaltlich an den Ibiza-Untersuchungsausschuss anschliesst, zur Bühne der Abrechnung mit dem «System Kurz» machen. Aber das Gremium startet während des Ukraine-Krieges - und innenpolitische Attacken interessierten jetzt wohl deutlich weniger, räumten oppositionelle Abgeordnete ein. Obendrein machte das Ringen um Verfahrensfragen den Start äusserst zäh. «Wir haben hier nicht Parteien zu untersuchen, sondern Verwaltungshandlungen des Bundes», sagte der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger zur Zulässigkeit oder Unzulässigkeit bestimmter Fragen - wie der, ob für die ÖVP interessante Studien oder Umfragen von Steuergeld bezahlt worden seien.
Zeugin sorgt für Erleichterung
Jüngst sorgten Medienberichte über die Aussage einer wichtigen Zeugin für Erleichterung gerade bei Kurz. Die Meinungsforscherin, die die geschönten Umfragen im Auftrag des Finanzministeriums geliefert haben soll, soll zu Protokoll gegeben haben, dass sie mit Kurz und seinem engsten Umfeld selbst praktisch keinen Kontakt hatte. Ausserdem soll sie laut eigenen Angaben ähnlich «adaptierte» Umfragen auch für die oppositionelle SPÖ gemacht haben.
«Ich habe immer gesagt, dass sich die Vorwürfe gegen mich als falsch erweisen werden. Jetzt ist es soweit», schrieb der 35-Jährige auf Twitter umgehend. Ob das wirklich ausreicht, den Verdacht der Falschaussage und der Beihilfe zur Untreue auszuräumen, muss die Staatsanwaltschaft beurteilen. Diese Entscheidung sei noch nicht absehbar, teilte die Behörde mit.
Eine Schlüsselfigur in den Affären ist der ehemalige Kabinettschef im Finanzministerium und Ex-Chef der Staatsholding Öbag, Thomas Schmid. Die bisherige Auswertung von insgesamt mehr als 300.000 Chatnachrichten aus seinem Handy hat die ÖVP in so schiefes Licht gedrängt, dass dieser enge Vertraute von Kurz am Ende nicht nur seinen Job räumte, sondern auch Kurz von der Politik in die Wirtschaft wechselte: als neuer Stratege zum US-Investor und Trump-Fan Peter Thiel. Schmid lebt nicht mehr in Österreich und kann vom U-Ausschuss nicht geladen werden.
In der Bredouille wegen eines Handys
Ein Handy eines ehemaligen Kabinettschefs im Innenministerium scheint wiederum Ex-Innenminister Wolfgang Sobotka in die Bredouille zu bringen. In den Chats ist die Rede von Interventionslisten die als Art Postenwunschlisten von Parteifreunden interpretiert werden. Sobotka selbst, der als aktueller Nationalratspräsident den Vorsitz im U-Ausschuss innehat, hat diese Listen als «Bürgeranfragen» bezeichnet. An einen Politiker würden täglich Anfragen und Bitten herangetragen, heisst es aus seinem Büro. Das sei nicht skandalös, so ein Sprecher Sobotkas. Geplant ist, dass Sobotka den Ausschussvorsitz zeitweise abgibt, wenn er selbst Gegenstand des U-Ausschusses ist.
Dass die Regierungsparteien wichtige Jobs im Land untereinander aushandeln, gilt als jahrzehntelange Übung speziell zwischen ÖVP und den Sozialdemokraten. Der Proporz sei Ausdruck des Misstrauens zwischen SPÖ und ÖVP gewesen, kommentierte die Wiener Zeitung «Kurier». «Seit der Konterpart SPÖ aus der Regierung flog, wuchert die ÖVP ungebremst in alle Bereiche des Staats hinein». Der Partei sei offenbar entgangen, dass ihre Hybris nicht in die aktuellen Zeiten mit neuen Transparenz- und Sauberkeitsstandards passe.
Vorsorglich hat sich die ÖVP Expertise aus Deutschland gesichert. Der ehemalige stellvertretende Regierungssprecher unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Georg Streiter, wurde für die «strategische Kommunikation» während der parlamentarischen Untersuchung engagiert. Streiter wolle im Sinne der Schadensbegrenzung künftig Hintergrundgespräche abhalten und eine neue Kommunikationsstrategie entwickeln, so das Blatt «Der Standard».