Damit Beschäftigte nach langen Arbeitsjahren als Rentner nicht zum Sozialamt müssen, wollen Union und SPD eine «Grundrente» schaffen. Jetzt sind die Pläne des Ministers da - mit einer Kampfansage.
Nach jüngsten Daten des Statistischen Bundesamts bekamen Ende 2017 rund 544.000 Menschen Grundsicherung im Alter. Foto: Stephanie Pilick
Nach jüngsten Daten des Statistischen Bundesamts bekamen Ende 2017 rund 544.000 Menschen Grundsicherung im Alter. Foto: Stephanie Pilick - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Es geht um die Sorgen vieler Menschen vor Armut im Alter - und ein Signal der Anerkennung.
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Bundessozialminister Hubertus Heil hat sein Konzept für eine «Grundrente» auf den Tisch gelegt und will damit ein zentrales Versprechen der grossen Koalition auf den Weg bringen.

«Lebensleistung verdient Respekt», lautet eine ministerielle Botschaft. «Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass Arbeit sich auch in der Rente lohnt», eine andere. Dabei ist nicht nur offen, wie das Ganze finanziert werden soll. Denn der SPD-Mann zielt teils über den Regierungsvertrag hinaus - und erntet umgehend Gegenwind.

Wo ist das Problem?

Viele Menschen landen nach einem langen Arbeitsleben mit niedrigen Löhnen als Rentner in der Grundsicherung, also der Sozialhilfe. Diese Ungerechtigkeit wolle er ändern, sagte Heil der «Bild am Sonntag». Denn wer Jahrzehnte gearbeitet habe, habe das Recht, mehr zu bekommen als jemand, der nicht gearbeitet habe. So kämen eine Friseurin oder ein Lagerarbeiter nach 40 Jahren mit Mindestlohn auf 514 Euro Rente. «Respektlos und unwürdig», findet der Minister das und will, dass es deutlich mehr wird. Nach jüngsten Daten des Statistischen Bundesamts bekamen Ende 2017 rund 544.000 Menschen Grundsicherung im Alter.

Wie soll die Grundrente funktionieren?

Im Kern sollen kleine Renten per Zuschlag erhöht werden - und zwar automatisch berechnet durch die Rentenversicherung ohne extra Prüfung der Bedürftigkeit. Voraussetzung sind mindestens 35 Jahre Einzahlung in die Rentenkasse. Auch Teilzeit, Kindererziehungs- und Pflegezeiten zählen mit, allein Minijobs reichen aber nicht. Generell gilt: Wer nach genau 35 Beitragsjahren weniger als 896 Euro Rente hat, bekommt einen Zuschlag. Beschäftigte, die immer nur Mindestlohn verdienten, sollen die maximale Aufwertung von 447 Euro erhalten. Die Friseurin mit 40 Jahren Mindestlohn käme also auf 961 statt 514 Euro Rente. Bei einer alleinerziehenden Krankenschwester in Teilzeit mit zwei Kindern ergäbe sich zum Beispiel ein Renten-Sprung von 860 auf 1000 Euro.

Wer soll das bezahlen?

Die Kosten sind noch nicht klar. Heil rechnet mit einem mittleren einstelligen Milliardenbetrag pro Jahr. Und sagt lieber auch gleich dazu, dass das «ein finanzieller Kraftakt» werde. Klar sei aber, dass die Grundrente ihren Namen auch verdienen müsse. «Wir dürfen uns keine Placebo-Politik leisten.» Dem Minister schwebt denn auch eine Finanzierung aus Steuermitteln des Bundeshaushalts vor, der schon fast 100 Milliarden Euro jährlich in die Rente pumpt. Profitieren sollen drei bis vier Millionen heutige und künftige Rentner - davon wohl drei Viertel Frauen, die öfter schlecht bezahlte Jobs haben, und viele Menschen in Ostdeutschland mit verbreitet niedrigeren Löhnen.

Wie geht es weiter?

Das Ziel hat Heil schon abgesteckt: Spätestens am 1. Januar 2021 soll die Grundrente kommen. Doch der Streit ging schon am Wochenende los. «Wir verteilen Geld nicht mit der Giesskanne, sondern helfen gezielt demjenigen, der zu wenig Rente hat», hielt Unions-Sozialexperte Peter Weiss (CDU) fest. Tatsächlich ist im Koalitionsvertrag ausdrücklich eine Bedürftigkeitsprüfung festgeschrieben, auf die Heil aber ebenso ausdrücklich verzichten will. Ergänzend will er auch einen Freibetrag beim Wohngeld erreichen, damit diese Zahlungen nicht im Gegenzug zu einer höheren Grundrente verloren gehen. Federführend hierfür: Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU). Da ist ein vielleicht etwas besser klingender Name als «Grundrente» eher Nebensache. «Nennen Sie es ruhig Respekt-Rente oder Gerechtigkeitsrente», meinte Heil.

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