Was geschah in der Silvesternacht in Leipzig?
In der Silvesternacht wird bei Ausschreitungen in Leipzig ein Polizist schwer verletzt. Wie der Abend genau ablief, wird die Justiz klären müssen.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Angriff auf einen Polizisten in der Leipziger Silvesternacht hat viele Fragen aufgeworfen? Was ist wirklich passiert? War die Taktik der Polizei richtig? Was ist zu den Hintergründen bekannt? Eine Übersicht:
Was genau ist in der Silvesternacht in Connewitz passiert?
Nach Angaben des Landeskriminalamtes (LKA) Sachsen feierten etwa 1000 Menschen auf einem Platz in Connewitz ins neue Jahr. Kurz nach Mitternacht sei es zu Auseinandersetzungen gekommen. Gegen 00.15 Uhr seien Polizisten mit Flaschen, Steinen und Feuerwerkskörpern beworfen worden, so das Landeskriminalamt. Ein brennender Einkaufswagen sei in die Richtung von Polizisten geschoben worden. Beim Versuch, einen Täter festzunehmen, habe eine Gruppe von 20 bis 30 Menschen drei Beamte angegriffen, so das LKA. Ein 38-Jähriger wurde nach Polizeiangaben schwer verletzt, seine Kollegen «nicht unerheblich». Auch bei den Zivilisten habe es Verletzte gegeben. Juliane Nagel, in Connewitz direkt gewählte Landtagsabgeordnete der Linken, erklärte, sie habe gesehen, dass mindestens fünf Zivilisten verletzt wurden. Die Attacke auf die Polizisten habe sie nicht beobachtet. Wie der Abend genau ablief, wird die Justiz aufklären müssen.
Wie schwer wurde der 38 Jahre alte Polizist verletzt?
Die Angreifer haben laut Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar mindestens einem Polizisten, dem 38-Jährigen, seinen Helm vom Kopf gerissen. Die Angreifer sollen demnach «massiv» auf die drei am Boden liegenden Beamten eingewirkt haben. Der 38 Jahre alte Polizist wurde bewusstlos. Nach Angaben der Polizei blutete er. Er musste noch in der Nacht operiert werden. Er sei schwer am Ohr verletzt worden, sagte Kretzschmar. Am Freitag sei der 38-Jährige aus dem Krankenhaus entlassen worden.
Warum wurden die Ermittlungen am 1. Januar auf versuchten Mord hochgestuft?
Zunächst ermittelte die Soko LinX des Landeskriminalamts (LKA) Sachsen wegen versuchten Totschlags. Im Laufe des Neujahrstages wurden die Ermittlungen hochgestuft: Der Tatvorwurf heisst versuchter Mord. Im Laufe des Neujahrstage seien Details bekannt geworden, sagte Ricardo Schulz, Sprecher der Staatsanwaltschaft Leipzig. Durch die massiven Einwirkungen sei der Tod des 38-Jährigen billigend in Kauf genommen worden. Laut Staatsanwaltschaft liegen niedere Beweggründe vor. Der Mann sei attackiert worden, weil er Polizist ist. Deswegen werde wegen versuchten Mordes ermittelt.
Was wird an der Taktik der Polizei kritisiert?
Juliane Nagel und andere Kritiker verurteilten das «rabiate Vorgehen der Polizei» in der Silvesternacht. Nagel sprach von einer «waghalsigen Einsatzstrategie». Ab Mittag sei ein Hubschrauber über den Stadtteil im Leipziger Süden gekreist. Zudem hätte die Polizei Personen verdachtsunabhängig kontrolliert. Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze wollte sich nicht dazu äussern, ob ein Kontrollbereich eingerichtet wurde. Nagel forderte die Einsatzkräfte zur Deeskalation auf. Die sichtbare Präsenz der Polizei werde als Provokation aufgenommen, sagte sie. Nach Einschätzung von Landespolizeipräsident Kretzschmar hatte sich die Polizei am Silvestertag zurückgehalten, sei «deeskalierend vor Ort gewesen». Der Angriff auf den 38-jährigen Polizisten sei dann Ausgangspunkt für eine Eskalation der Lage gewesen.
Wurden Tatverdächtige festgenommen?
Die Staatsanwaltschaft ermittelt in 14 Strafverfahren in Zusammenhang mit den Ausschreitungen in Connewitz. Zu dem Tatvorwurf des versuchten Mordes sei noch kein Tatverdächtiger ermittelt worden, so die Staatsanwaltschaft. Ebenso laufe die Ermittlung wegen schweren Landfriedensbruchs gegen Unbekannt. Wegen weiterer Angriffe auf Polizisten im Viertel seien Ermittlungsverfahren gegen zwölf Verdächtige eingeleitet worden. Gegen vier Tatverdächtige im Alter von 27, 29, 30 und 32 wurden Haftbefehle erlassen. Einzelnen werde etwa der tätliche Angriff sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie versuchte und vollendete Körperverletzung vorgeworfen.
War der Polizeieinsatz in Connewitz ungewöhnlich?
Seit Jahrzehnten ist die Polizei am Silvesterabend in Connewitz vor Ort. Immer wieder hatte es in der Vergangenheit Ausschreitungen gegeben. Daher sei der Stadtteil auch zu diesem Jahreswechsel ein Einsatzschwerpunkt gewesen, sagte Kretzschmar. Die Polizei sei mit bis zu zwei Hundertschaften vor Ort gewesen. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) sagte, die Nacht sei «vorläufiger Höhepunkt von Gewalt und Auseinandersetzungen» gewesen. Im Vergleich zu anderen Silvestern in Connewitz hat der Polizeieinsatz auf Linke-Politikerin Nagel «kopflos» gewirkt. Frühere Polizeipräsidenten versuchten laut Nagel, mehr Ruhe in die Geschehnisse zu bringen.
Warum gilt Leipzig als Hochburg der linksextremen Szene?
Leipzig sei bundesweite Hochburg linksextremistischer Straftäter, sagte LKA-Sprecher Tom Bernhardt. In den vergangenen Monaten waren in Leipzig immer wieder Autos und Baumaschinen in Brand gesetzt worden. Im Herbst hatten Unbekannte - die Ermittler vermuten Linksextremisten - eine Mitarbeiterin einer Immobilienfirma in ihrer Wohnung überfallen und mit Fäusten traktiert. Martin Döring vom sächsischen Verfassungsschutz erklärt sich die Entwicklung und die Konzentration in Leipzig dadurch, dass «Erfolge der Szene mit breiter Wirkung» weitere Menschen anzögen, die mit Linksextremismus sympathisierten.