Was Grosseltern für die Enkelbetreuung bedeuten

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Deutschland,

Im Notfall, zu festen Zeiten oder zur Überbrückung: In vielen Familien sind Grosseltern bei der Betreuung der Enkel lange Zeit stark eingebunden gewesen. Eine neue Studie fragt nun: Hat die professionelle Kinderbetreuung Oma und Opa verdrängt?

Zwillingsschwestern mit ihrer Grossmutter im Gegenlicht. Grosseltern spielen nach wie vor eine wichtige Rolle in der Kinderbetreuung.
Zwillingsschwestern mit ihrer Grossmutter im Gegenlicht. Grosseltern spielen nach wie vor eine wichtige Rolle in der Kinderbetreuung. - Julian Stratenschulte/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Ob Spielen und Toben mit den Enkeln, Hausaufgaben machen oder Eisessen – die Zeit mit Oma und Opa ist aus dem Alltag vieler junger Familien nicht wegzudenken.

In Deutschland bleiben Grosseltern eine wichtige Konstante für die Betreuung des Nachwuchses. Das zeigt die jetzt veröffentlichte Studie «Oma und Opa gefragt?» des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Ergebnisse verdeutlichen, wie Grosseltern die Enkelbetreuung unterstützen – und wie sich Omas und Opas Hilfe auf Enkel und Eltern auswirken kann.

In dem zweijährigen Forschungsprojekt sind aus verschiedenen Erhebungen zu Familien und Kindern zwischen 1997 und 2020 gewonnene Daten genutzt worden, erklärt BiB-Direktorin C. Katharina Spiess im Gespräch mit der dpa. Die Bildungs- und Familienökonomin leitete das von der Stiftung Ravensburger Verlag geförderte Projekt. Mit Blick auf die Rolle von Grosseltern bei Bildung und Betreuung des Nachwuchses zwischen null und zehn Jahren wurden die Daten neu analysiert. Je nach Fragestellung beruhen die repräsentativen Erkenntnisse auf den Daten Tausender Familien und Kinder.

Bunteres Betreuungs-Patchwork

Das Ergebnis: Oma und Opa spielen bei der Betreuung von Kindern eine grosse Rolle und sind ein wichtiger Bestandteil im Leben junger Familien – und das hat sich auch durch den Kita-Ausbau in Deutschland kaum verändert. Zwar besuchen demnach neun von zehn Vorschulkindern in Deutschland eine Kita, dennoch kümmern sich Grosseltern zusätzlich nach Bedarf oder regelmässig um jedes zweite Kind unter sechs Jahren. In einer normalen Woche werden zwischen 20 und 40 Prozent der Mädchen und Jungen unter zehn Jahren regelmässig von den Grosseltern beaufsichtigt. Ihr Einsatz bei der Betreuung ist im Laufe der letzten gut 20 Jahre in etwa gleichgeblieben.

BiB-Direktorin und Studienleiterin Spiess sagt: «Vor 20 Jahren hat im Allgemeinen noch die alleinige Grosseltern-Betreuung eine viel grössere Rolle gespielt.» Mit dem Kita-Ausbau sei ein bunteres «Betreuungs-Patchwork» entstanden, das neben der Elternbetreuung Kita und Grosseltern kombiniere. Die Ergebnisse zeigten nun, dass die Kita zwar an Bedeutung gewonnen habe, die Grosseltern aber nicht verdrängt worden seien - im Gegenteil.

Generell hat sich die Grosseltern-Enkel-Beziehung aus Sicht des renommierten Erziehungswissenschaftlers Wassilios Fthenakis zuletzt stark gewandelt. Das Verhältnis bestehe längst nicht mehr nur darin, dass Grosseltern ihren Enkeln die Welt erklärten und Dinge zeigten. Im Zuge der Digitalisierung brächten auch junge Kinder ihren Grosseltern inzwischen viel bei – etwa die Bedienung des Handys oder Computers. «Kinder werden dadurch aktiviert und einbezogen in Lernprozesse zwischen den Generationen», sagt er der dpa. Dennoch sei die Bedeutung der Grosseltern für Kinder gleichbleibend gross.

Spiess macht auch auf einen aus ihrer Sicht häufig vernachlässigten Aspekt aufmerksam: Die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund steige - und in vielen Fällen kämen die Grosseltern nicht nach Deutschland. «Das sehen wir ganz deutlich, dass bei vielen dieser Familien die Grosselternbetreuung als Ressource wegfällt.»

Auch die Grosseltern profitieren

Das Forschungsprojekt weist auch nach, was für viele schon denkbar schien: Wenn Oma und Opa mithelfen, unterstützt das vor allem die Mütter, die nach wie vor meist Hauptbetreuungsperson seien. Mütter sind demnach dann mit ihrer Kinderbetreuungs-Situation und der eigenen Freizeit deutlich zufriedener. Das wirke sich dann wiederum positiv auf die Kinder aus, erklärt Studienleiterin Spiess: «Die Steigerung der mütterlichen Zufriedenheit hat einen direkten Zusammenhang mit der kindlichen Entwicklung.»

Fthenakis, der Ehrenpräsident des Didacta-Verbandes ist, weist darauf hin, dass sich die Unterstützung durch die Grosseltern auch positiv auf die Qualität der elterlichen Paarbeziehung auswirken kann. «Wenn ständig Betreuungsprobleme auftreten, leidet auch die Partnerschaftsqualität. Auf der anderen Seite ist die Partnerschaftsstabilität ein wichtiger Faktor für die Entwicklung des Kindes.»

Auch die Grosseltern können gesundheitlich und emotional enorm von einer regen Beziehung zum Enkelkind profitieren, wie mehrere internationale Studien der letzten Jahre hervorheben. An der Redensart «Enkel halten jung» scheint einiges dran zu sein. Fthenakis sieht das ähnlich: «Vielleicht erlebt man in der Beziehung zum Enkelkind die grösste Beziehungsqualität auf Erden.» Grosseltern investierten Zeit, Emotionen und Geld, ohne eine Gegenleistung zu erwarten – eine ganz besondere Art der Verbindung. «Enkel geben den Grosseltern einen Sinn für den Rest ihres Lebens und was noch wichtiger ist, eine zeitliche Dimension, die über ihren Tod hinausgeht. Sie bleiben lebendig in deren Erinnerung.»

Dennoch: Das Team um Spiess schlussfolgert auch, dass ein sehr häufiger täglicher Wechsel von Betreuungspersonen nicht immer für alle Kinder ganz reibungslos funktioniere. Das liege aber keinesfalls daran, dass die Grosselternbetreuung schlecht sei, betont Spiess. «Wir vermuten, dass es eher daran liegt, dass es für manche Kinder eben schwierig ist, wenn sie sich an einem Tag auf sehr viele Betreuungspersonen einstellen müssen.» Als Appell sei abzuleiten, dass Kitas und Schulen eine stabile Betreuung mit möglichst wenigen Wechseln bei den Fachkräften bieten sollten.

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