Windkraft-Krise und Jobabbau: Enercon will mit Politik reden
Für die Windbranche ist es ein Schock mit Ansage: Als einer der grössten deutschen Hersteller von Windkraftanlagen kündigt Enercon harte Einschnitte an - das gefährdet auch die politischen Klimaziele. An der Bundesregierung lässt das Unternehmen dabei kein gutes Haar.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach der Ankündigung eines drastischen Stellenabbaus beim Windkraft-Anlagenbauer Enercon suchen Politik und Wirtschaft nach Auswegen.
Im Laufe der Woche seien Gespräche mit der Landes- und Bundespolitik geplant, sagte ein Enercon-Sprecher im ostfriesischen Aurich. Enercon hatte am Freitag angekündigt, nach Absatzeinbrüchen bis zu 3000 Stellen abzubauen. Weltweit beschäftigt der Enercon-Verbund nach eigenen Angaben etwa 18.000 Mitarbeiter.
Zur Begründung des Stellenabbaus verwies das Unternehmen auf die Energiepolitik der Bundesregierung, die zu einem Einbruch des Markts für Windenergie an Land geführt habe.
Dabei will die Bundesregierung die Erneuerbaren eigentlich fördern: Bis 2030 soll der Anteil von Ökostrom beim Stromverbrauch in Deutschland auf 65 Prozent steigen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres waren es nach Zahlen der Energiewirtschaft rund 43 Prozent. Da 2022 das letzte Atomkraftwerk vom Netz geht und bis 2038 mit dem Strom aus Kohle Schluss sein soll, drängt die Zeit.
Doch die Zeiten, in denen Deutschland der grösste Markt für Windkraftanlagen in Europa war, sind vorbei. Jetzt herrscht Flaute in der Branche. Im ersten Halbjahr 2019 kam der Ausbau der Windkraft an Land fast zum Erliegen. Nur rund 150 Windräder wurden neu errichtet, rund 80 Prozent weniger als im Vorjahr.
«Die aktuelle Energie- und Klimapolitik gefährdet nicht nur über Jahre aufgebautes Know-how und Arbeitsplätze in unserer Branche, sondern auch den Klimaschutz und die Energiewende insgesamt», sagte Enercon-Manager Kettwig. «Nach Vorlage des Klimaschutzpakets der Bundesregierung wird klar, dass die Probleme für uns sogar noch grösser werden.»
Der Bundesverband Windenergie sprach angesichts des Stellenabbaus bei Enercon von einem «letzten Weckruf». Präsident Hermann Albers rief die Regierung auf, «das Wertschöpfungsnetzwerk Wind in Deutschland zu halten». Auch der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Meinhard Geiken, warnte: «Es droht ein dramatischer Kahlschlag in der Windindustrie.»
«Der Abbau betrifft das eigene Unternehmen und direkte Produktionspartner», sagte Enercon-Sprecher Felix Rehwald. Aber auch Zulieferer, Handwerksbetriebe und regionale Zeitarbeitsfirmen bekämen die Folgen zu spüren. Ostfriesland und Magdeburg seien besonders stark betroffen. Der genaue Umfang an den einzelnen Standorten oder die Auswirkungen auf die Lieferketten seien noch nicht abzusehen.
Das Unternehmen habe 2018 erstmals ein Minus verbucht und einen Verlust von 200 Millionen Euro geschrieben, sagte Rehwald. Für das laufende Jahr werde ein noch höherer Verlust im dreistelligen Millionenbereich erwartet. Deutschlandweit habe das Unternehmen in den ersten zehn Monaten dieses Jahres nur 65 Windkraftanlagen errichtet, 2017 seien es noch 711 gewesen.