Berner Anwalt klagt eigene Praktikantin an
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Berner Anwalt zeigt seine eigene Praktikantin an, weil sie zu einem Bewerbungsgespräch statt an eine Uni-Vorlesung ging.
- Sowohl die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland als auch das Berner Obergericht zeigten sich davon wenig beeindruckt.
- Stattdessen brummte das Obergericht dem Anwalt die Prozesskosten sowie eine Entschädigung für die Praktikantin auf.
Alles begann
kurz vor Ostern: Die Praktikantin eines Berner Anwaltsbüros begab sich für ein
externes Bewerbungsgespräch in eine einstündige Pause. Bei ihrem derzeitigen
Arbeitgeber gab sie allerdings an, eine Verlosung an der Universität zu
besuchen.
Erst als die
Frau bereits ihr Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, kam der Anwalt seiner
Praktikantin auf die Schliche. Er stellte sie frei und reichte Strafanzeige
ein.
Wie die
«Berner Zeitung» berichtet, stiess die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft
Bern-Mittelland allerdings auf wenig Verständnis: Es fehle die strafbare Handlung. Auch
der finanzielle Schaden sei zu gering. Kein Wunder: Der Monatslohn der Praktikantin
betrug 2000 Franken pro Monat. Auf eine Stunde heruntergebrochen, sind das
12.50 Franken.
Anwalt schnitt sich ins eigene Fleisch
Das liess der
Anwalt allerdings nicht einfach auf sich beruhen, und zog deshalb ans
Obergericht weiter. Seine Begründung: Der Schaden sei höher. Er habe seiner
Praktikantin auch nach der geschwänzten Stunde noch Lohn bezahlt und Zeit «in Erwartung einer längerfristigen
Zusammenarbeit» investiert. Infolgedessen verlangte er eine Strafuntersuchung
und eine angemessene Sanktion.
Doch auch das
Obergericht zeigte sich wenig beeindruckt: Die Falschbuchung begründe weder
eine für den Betrug vorausgesetzte Bereicherungsabsicht, noch sei eine
arglistige Täuschung im strafrechtlichen Sinn erkennbar.
Im Gegenzug
muss der Anwalt nun selbst in die Tasche greifen: Das Gericht erlegte ihm die
Prozesskosten von 1000 Franken auf. Ferner muss er seiner ehemaligen Praktikantin
629.20 Franken als Entschädigung zahlen.