Berner Regierung wirft Medien Irreführung und Vorverurteilung vor
Die Berner Kantonsregierung kritisiert den «Bund» und die «Berner Zeitung», einen Polizei-Einsatz in Bern gefährlicher dargestellt zu haben, als er gewesen ist.
Die Berner Kantonsregierung übt harte Kritik am «Bund» und an der «Berner Zeitung». Sie sollen einen Polizei-Einsatz in Bern wider besseres Wissen viel gefährlicher dargestellt haben als er gewesen ist.
Das schreibt die Regierung in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht, den das Kantonsparlament mit den Stimmen der bürgerlichen Mehrheit in Auftrag gegeben hatte. Die Berichterstattung in den Tamedia-Blättern hatte 2021 hohe Wellen geworfen.
Laut Regierung war sie in wichtigen Punkten «irreführend und vorverurteilend». Sie stützt sich dabei auch auf die Einschätzung des von ihr beauftragten Medienjuristen Manuel Bertschi.
Berichte über Polizeikontrolle in Bern wecken Erinnerungen an George Floyd
Die Berichte drehten sich um eine Polizeikontrolle, bei der ein widerspenstiger Mann zu Boden geführt wurde. Zufällig anwesende Medienschaffende schilderten den Vorfall. Sie erinnerten dabei an den Fall George Floyd, der bei einem Polizei-Einsatz in den USA ums Leben kam.
Der Vergleich sei deplatziert, schreibt die Regierung. Im Berner Fall habe zu keinem Zeitpunkt Lebensgefahr bestanden. Die Zeitungen hätten unter anderem die kurze Dauer der Fixierung unterschlagen und das Archivzitat eines Experten in einen falschen Kontext gestellt. Zudem sei der betroffene Polizist ungenügend verpixelt worden.
Die Chefredaktion von «Bund» und «BZ» wies die Vorwürfe am Donnerstag erneut zurück. Eine unmittelbare Gleichsetzung mit dem Fall Floyd sei nicht gemacht worden. Beim Zitieren und Verpixeln habe man die handwerklichen Regeln eingehalten.
Ein Fehler sei die Freischaltung von teilweise problematischen Leserkommentaren gewesen. Dafür habe man sich bereits früher entschuldigt, schrieb die Chefredaktion in einer Stellungnahme, die der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vorliegt.
Bericht der Regierung kommt im Juni im Grossen Rat zur Sprache
Der Bericht der Regierung kommt im Juni im Grossen Rat zur Sprache. Der Schweizer Presserat hat sich nicht mit dem Thema befasst. Die bernische Sicherheitsdirektion hat die Beschwerdefrist ungenutzt verstreichen lassen.
Während eines laufenden Strafverfahrens wäre dies grundsätzlich heikel, hiess es als Begründung. Der Polizist, der den Mann zu Boden brachte, wurde mittlerweile rechtskräftig vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs und der Tätlichkeit freigesprochen.
Zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz und Genugtuung hätte der betroffene Polizist geltend machen müssen. Darauf hat dieser verzichtet. Der Regierungsrat schreibt, er könne die Tamedia-Gruppe nicht zu einer persönlichen Entschuldigung zwingen. Er halte eine solche aber für angebracht.
Vor Obergericht hängig ist ein weiteres Strafverfahren gegen einen anderen Polizisten, der den Mann unsanft ins Polizeifahrzeug gebracht haben soll. Auch darüber berichteten die Zeitungen. Diesen Teil der Berichterstattung untersuchte die Regierung nicht, weil er keinen vergleichbaren Medienwirbel ausgelöst habe.
«Bund» und «BZ» betonen umfassende Beantwortung aller Fragen
«Bund» und «BZ» betonen in ihrer Stellungnahme, sie hätten im Rahmen der Untersuchung alle Fragen umfassend beantwortet. Sie wollten zu einem besseren Verständnis der Medienarbeit beizutragen.
Der Regierungsrat handle unüblich und ohne gesetzliche Grundlage, wenn er die Arbeit eines privaten Medienunternehmens quasi aufsichtsrechtlich kontrolliere. Die Frage sei, ob das Vorgehen vereinbar sei mit der verfassungsmässig garantierten Medienfreiheit.
Die Regierung beruft sich darauf, einen Auftrag des Parlaments erfüllt zu haben. Die Richtigstellung sei im öffentlichen Interesse erfolgt, betonte Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) vor den Medien. Sie schütze auch den Polizisten, der zu Unrecht medial in die Nähe eines schweren Gewaltverbrechens gerückt worden sei. Der Kanton habe eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Angestellten.
Der Bericht der Regierung hat Kosten von maximal 40'000 Franken verursacht, wie Müller auf Anfrage sagte. Hinzu kommen für den Kanton Gerichtskosten von 20'000 Franken für den freigesprochenen Polizisten und ein etwas grösserer Betrag für die Prozesskosten des zweiten Polizisten.