«Big Data» soll auf der Intensivstation vor Komplikationen warnen
Komplikationen frühzeitig zu erkennen, rettet Leben auf der Intensivstation. Erfahrung und Wissen des medizinischen Personals könnte dabei bald Unterstützung bekommen durch Algorithmen.
Das Wichtigste in Kürze
- Auf der Intensivstation entstehen pro kritischem Patient pro Tag bis zu 100 GB Daten.
Diese Daten sollen bald zur Sicherheit der Patienten im Spital beitragen: Im Rahmen eines vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützten Projekts entwickeln Forschende ein System, um auf Notfall- und Intensivstationen Fehlalarme zu erkennen, vor entstehenden Problemen zu warnen und damit frühzeitiges Eingreifen zu ermöglichen.
Puls, Sauerstoffsättigung, Blutwerte, Computer- und Magnetresonanztomographie - die Datenfülle ist gewaltig und braucht Zeit und Erfahrung, um darin Konstellationen zu erkennen, die auf ein hohes Komplikationsrisiko oder gar bereits beginnende Probleme hindeuten. Im Rahmen des Projekts «ICU Cockpit» arbeiten Forschende um Emanuela Keller von der Neurochirurgischen Intensivstation des Universitätsspitals Zürich zusammen mit der ETH Zürich und IBM Research daran, diese Analyse durch lernende Algorithmen zu beschleunigen und im hektischen Intensivstationsbetrieb besser erfassbar zu machen.
Grundlage waren Daten von 400 Patientinnen und Patienten, die vor der Weiterverarbeitung anonymisiert wurden, wie der SNF am Montag in einer Mitteilung festhielt. Hinzu kamen auch Videoaufnahmen. Auf Basis dieser Daten trainierten die Forschenden lernende Algorithmen, Fehlalarme von echten Komplikationen zu unterscheiden.
Den Anteil Fehlalarme zu reduzieren, würde es dem Fachpersonal erleichtern, kritische Situationen zu erkennen. Zudem sollen verschiedene Anwendungen des Systems frühzeitig vor epileptischen Krampfanfällen oder sekundären Hirnschädigungen warnen.
Bisher stützt sich das medizinische Personal auf Erfahrungen und Wissen, um Therapieentscheide zu fällen. Das System soll dies unterstützen durch Datenanalyse in Echtzeit, die auf der Intensivstation bei den Patienten visuell dargestellt werden und automatisch auf Risikokonstellationen hinweisen soll. Dafür arbeitet das Team um Keller derzeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) zusammen, um ein visuelles Nutzer-Interface zu entwickeln, wie die Neurochirurgin auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA erklärte.
In einem nächsten Schritt wollen die Forschenden um Keller nun das Verfahren mit weiteren Datensätzen verknüpfen und es etwa ab Ende 2020 im Rahmen einer klinischen Studie im Klinikalltag des Unispitals Zürich validieren. «Auf längere Sicht wollen wir die Datenanalyse auch mit dem aktuellsten medizinischen Wissen aus weiteren Quellen verknüpfen», sagte Keller. Das Team sei dabei, weitere Algorithmen zu entwickeln und die Analyse laufend zu verbessern.