Daniel Spoerri wird 90: Esskünstler und Fallensteller

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Basel,

Daniel Spoerri, Objektkünstler und Begründer der Eat Art, feiert seinen 90. Geburtstag. Er ist in der Ausstellung «Amuse-Bouche. Der Geschmack der Kunst» im Tinguely Museum in Basel prominent vertreten.

Essen ist für den Künslter Daniel Spoerri Genuss und sozialer Akt. Mit seiner «Eat-Art» ist er etwa im Museum of Modern Art in New York oder im Tinguely Museum in Basel vertreten. Heute wird Spoerri 90 Jahre alt. (Archivbild)
Essen ist für den Künslter Daniel Spoerri Genuss und sozialer Akt. Mit seiner «Eat-Art» ist er etwa im Museum of Modern Art in New York oder im Tinguely Museum in Basel vertreten. Heute wird Spoerri 90 Jahre alt. (Archivbild) - sda - Keystone/APA/APA/HERBERT NEUBAUER

Das Wichtigste in Kürze

  • Mit «Resurrection» (1968) wollte Daniel Spoerri wohl niemandem die Freude an einem saftigen Hohrückensteak vergällen.

Einen schalen Geschmack hinterlässt der Kurzfilm allerdings schon, führt er doch rückwärts von der menschlichen Kacke über den blutigen Teller, die Bratpfanne, die Metzgerei, das Schlachthaus bis hin zur Kuh auf der Weide und zum finalen Kuhfladen. Mit seinem Experiment gelang es dem Künstler grandios, die Fleischeslust zu verfremden.

«Resurrection» ist Teil der Ausstellung «Amuse-Bouche». Hier darf Spoerri, der Begründer der Eat Art, neben Meret Oppenheim («Bon appétit, Marcel», 1966-1978), Roman Signer («Lebkuchen/Gingerbread», 2003), Damien Hirst («Chicken», 1999), Andre Thomkins («Zuckerhut», 1971), Fischli/Weiss («Wurstserie», 1979) oder Sarah Lucas («Sausage Film», 1990) natürlich nicht fehlen.

Spoerri, begnadeter Koch, war schon immer einer, der dazu anleitete, Geschmacksempfindungen umzuleiten. Das ist seine «Eat Art». Sie mündete zum Beispiel in das «Menu Travesti: Kartoffelbrei-Eis mit Fleischpralinen», das er 1970 in der Zeitschrift «Twen» vorstellte. Damit wollte er die Leserinnen und Leser ermuntern, noch ganz andere Entdeckungen zu machen. «Wer Lust hat, kann seine Eat-Art-Ideen an das Restaurant Spoerri, Düsseldorf, Burgplatz 19, schicken.»

Die amüsante Ausstellung im Tinguely Museum dokumentiert diese Geschichte und stellt auch eine andere frühe Leidenschaft des Künstlers vor: die Fallenbilder, auch Tableaux-pièges genannt. Das sind auf Platten festgeleimte Hinterlassenschaften von Mahlzeiten, die Spoerri zusammen mit Freunden genossen hat.

Eine dieser Assemblagen heisst «Le Petit Déjeuner de Kichka» (1961) - sie ist im Besitz des Museum of Modern Art in New York - und setzt sich unter anderem zusammen aus einem Stück Baguette, Eierschalen, einem Salzstreuer, einer Schachtel Haferflocken, einer Schere und einem Kugelschreiber.

Essen ist für Spoerri Genuss und sozialer Akt. Und daraus fertigt er auch Kunstwerke, die sich an die Wand hängen lassen. Damit reiht er sich bis heute prominent ein in den Kanon der Alltagskunst.

Geboren wurde Daniel Spoerri 1930 in Galati, Rumänien, als Daniel Feinstein. 1941 wurde sein Vater von rumänischen Faschisten ermordet. Ein Jahr später floh seine Mutter Lydia Spoerri, eine Schweizerin, mit ihren sechs Kindern nach Zürich. Hier und in Paris liess sich Daniel Spoerri zum Balletttänzer und Pantomimen ausbilden und war dann einige Jahre Solist am Stadttheater Bern. Unter anderem choreographierte er ein Farbenballett, zu dem Jean Tinguely, mit dem er seit 1950 befreundet war, ein bewegliches Bühnenbild entwarf.

Verschrieben hat er sich aber auch der Literatur, konkreter: der visuellen Poesie und der verlegerischen Arbeit. Ende der 1950er Jahre gründete Spoerri in Paris die Edition MAT (Multiplication d'art transformable) und vertrieb zum Einheitspreis von 200 Francs vervielfältigte Werke von Man Ray oder Marcel Duchamp. Er unterzeichnete das Manifest des «Nouveau Réalisme» und stellte erste Fallenbilder aus.

Schliesslich betätigte sich Spoerri auch als Lehrer und Museumsgründer. Ende der 70er Jahre sammelte er in Köln zusammen mit Studierenden der Fachhochschule für Kunst und Design Objekte der Stadtgeschichte und realisierte damit das «Musée sentimental».

Zwanzig Jahre später, 1997, schenkte er sein Archiv der Schweizerischen Landesbibliothek (heute Nationalbibliothek) und legte in Seggiano in der Toskana den Grundstein für seinen eigenen Skulpturengarten, «Il Giardino di Daniel Spoerri». Platz finden hier eigene Werke neben solchen seiner Freundinnen und Freunde: Eva Aeppli ist ebenso präsent wie Bernhard Luginbühl, Meret Oppenheim, Dieter Roth und Jean Tinguely.

2009 hat Spoerri im niederösterreichischen Hadersdorf am Kamp zwei Liegenschaften in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht, die unter dem Namen «Eat Art & Ab Art» als Esslokal, Ereignis- und Ausstellungsort genutzt werden.

Seit 2007 wohnt der Künstler in Wien. Von der Kunst und dem Essen ist er besessen geblieben.

Verfasser: Karl Wüst, ch-intercultur

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