Darum verzichtet Fares (47) freiwillig auf Sozialhilfe
Mit seinen Temporärjobs kommt ein Algerier (47) nur knapp durch den Tag. Der Sozialdienst würde Abhilfe schaffen – doch er verzichtet. Nau.ch erzählt er, warum.
Das Wichtigste in Kürze
- Der 47-jährige Fares Bouhaouche lebt unterhalb der Armutsgrenze.
- Dennoch verzichtet der Algerier aus Bern auf staatliche Unterstützung.
- Warum und wie, erklärt er bei Nau.ch.
Die Gründe sind vielseitig: Sei es aus Scham, Stolz oder Angst, ausgewiesen zu werden – etliche Menschen verzichten freiwillig auf Sozialhilfe. Der Berner Fares Bouhaouche ist einer von ihnen.
Ende 2003 in die Schweiz gezogen, bezog der Algerier in diesen knapp 20 Jahren kein einziges Mal Sozial- oder Nothilfe. Auch Arbeitslosengelder wollte er nicht in Anspruch nehmen. Dies, obschon es Zeiten gab, in denen er es mehr als nötig gehabt hätte.
Bis heute hält sich Bouhaouche, der über den B-Ausweis verfügt, mit diversen Temporärjobs über Wasser. Zum Leben reichen die gerade mal so.
Der 47-Jährige erzählt gegenüber Nau.ch: «Manchmal verdiene ich nur 1000 bis 2000 Franken im Monat. Es ist schwierig, aber es reicht.»
«Geht mir ein bisschen um Stolz»
Ihm sei dies deutlich lieber, als auf den Staat angewiesen zu sein. «Ich möchte auf eigenen Füssen stehen. Auch geht es mir ein bisschen um den Stolz», so Bouhaouche.
Schon direkt nach seiner Ankunft in der Schweiz habe er im Asylheim zum Tagesansatz von 100 Franken gearbeitet. «Unter der Woche jeden Tag und sogar an Samstagen», ergänzt er.
Heute steht fest: Würde er Sozialhilfe beziehen, stünde Bouhaouche finanziell deutlich besser da. Im Kanton Bern hätte er einen Anspruch auf mindestens 977 Franken monatlich fürs Alltägliche. Hinzu kommen Miete (maximal rund 1000 Franken) und Krankenkassenprämien.
Wer zudem arbeitet, jedoch wie Bouhaouche unter dem Existenzminimum lebt, erhält ausserdem sogenannte Einkommensfreibeträge. Diese können laut der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe je nach Fall bis zu 700 Franken zusätzlich betragen. Das wären insgesamt Kostenübernahmen und Zahlungen von mehr als 2800 Franken.
Doch er winkt ab und erzählt, wie er es schafft: «Kaffee trinke ich nicht in der Cafeteria, sondern zu Hause. Auch Essen und Kochen tu’ ich zu Hause. Kleider kaufe ich mir im Brocki.» Was die Wohnsituation betrifft, lebt Fares alleine in einem Studio – bei einer Miete von 700 Franken monatlich.
«Habe sicher mehrere Hundert Bewerbungen geschrieben»
Obschon Fares bei Temporär-Anstellungen ausschliesslich gute Rückmeldungen erhält, will es mit der Festanstellung nicht klappen.
Der Algerier, der in seinem Heimatland die Berufslehre zum Automechaniker abgeschlossen hat, schüttelt den Kopf: «In den letzten Jahren habe ich sicher schon mehrere Hundert Bewerbungen geschrieben.»
Die meisten im Bereich der Reinigung, Logistik, Zügelarbeiten und dergleichen. Nur selten erhält er überhaupt eine Antwort, wie ein Blick in sein E-Mail-Postfach verrät.
Ausnahmen gibt es: «Eine feste Anstellung hatte ich beispielsweise im vergangenen Jahr, aber dort wurden alle Mitarbeitenden hemmungslos ausgenutzt.» Bouhaouche spricht von unbezahlten Überstunden und schlechtem Lohn – er kündigte.
Nach einer Anstellung als Reinigungskraft im Jahr zuvor erhielt er ein herausragendes Arbeitszeugnis, das Nau.ch vorliegt und keine der bei Arbeitszeugnissen nicht unüblichen Codierungen enthält.
Er bleibt zuversichtlich: «Ich schreibe weiterhin Bewerbungen. Irgendwann wird es klappen, da bin ich mir sicher!»