Der Thuner Thomas Winkler parodiert mit Gloryhammer Metal-Klischees
Gloryhammer sind in Kostümen unterwegs und singen Lieder über Einhörner. Der Frontmann Thomas Winkler gibt im Gespräch Auskunft über sein Musikerleben.
Das Wichtigste in Kürze
- Gloryhammer stürmen als fünfköpfige Power-Metal-Truppe die Weltbühne.
- Die Mitglieder kommen aus Grossbritannien und der Schweiz.
- Der Sänger Thomas Winkler arbeitet zusätzlich als Notar.
Bei der Ankunft in Thun am frühen Nachmittag ist die Geräuschkulisse nicht sonderlich angenehm. Einige Gebäude werden gerade renoviert, dementsprechend lärmig klingelt es in den Ohren.
«Lärm» ist ein Begriff, welcher ab und zu auch in Verbindung mit Heavy Metal fällt. Dabei gibt es zahlreiche Untergenres mitsamt differenzierten musikalischen Eigenheiten. Eine krachende Grindcore-Truppe wie Napalm Death klingt logischerweise extremer als die mittlerweile kommerziell ausgerichteten Veteranen von Metallica.
Der 33-jährige Thomas Winkler kann wortwörtlich ein Lied von solchen musikalischen Feinheiten singen. Er ist als Frontmann bei Gloryhammer unterwegs. Ihre Musik lässt sich am ehesten in die Schublade «Power Metal» einordnen. Manowar, Helloween und in jüngerer Zeit Sabaton gehören zu den bekannten Vertretern.
«Wir wollen nicht das übliche Repertoire bedienen»
Winkler sitzt entspannt draussen in einem Café. «Die Leute fragen sich oft, worum zum Geier es sich bei diesem Genre handele. Ob das etwas mit Rock zu tun habe?», erzählt er mit verstellter Stimme und nimmt danach einen Schluck Eistee.
«Power Metal ist eine Mischung aus harten Gitarren, klassischer Musik sowie heroischen Texten. Wir bei Gloryhammer wollen allerdings nicht das übliche Repertoire bedienen.»
Deshalb spielt die fünfköpfige Truppe humorvoll mit Genre-Elementen und baut beispielsweise in den Liedtexten absichtlich grammatikalisch falsche Zeilen ein.
«Einerseits lieben wir alle den Power Metal, finden ihn aber andererseits auch lachhaft. Man kann das Ganze als Unbeteiligter nicht wirklich ernst nehmen. Uns ist bewusst, dass die Fantasy-Texte normalerweise hirnrissig sind.
In Form unserer ausgefallenen Kostüme und eines übertriebenen Konzeptes parodieren wir diese Richtung. Unser Ziel ist es, ein breites Publikum anzusprechen, welches vielleicht nicht unbedingt aus dieser Szene kommt.»
Gloryhammer wurde von Christopher Bowes gegründet. Bowes dürften manche als Sänger der Piraten-Metal-Band Alestorm kennen. Ergänzt wird sein Nebenprojekt durch drei Musiker aus Grossbritannien. Winkler ist der einzige Schweizer.
Untote Einhörner und Zauberer
Jedes Album erzählt die Geschichte des erfundenen Prinzen Angus McFife. Die Handlung wird anhand der Songs und Kostüme live nachgespielt. Winkler verkörpert den Protagonisten.
«Das Ganze ist ziemlich komplex. Das erste Album spielt im Mittelalter um das Jahr 992. Der böse Zauberer Zargothrax attackiert die schottische Stadt Dundee mit untoten Einhörnern.
Die zweite CD ist im Jahre 1992 angesiedelt. Als Handlungsstätte dient das Weltall. Das kürzlich erschienene dritte Album verortet das Geschehen in eine andere Dimension. Zuvor wurde das Universum zerstört und mein Erzfeind konnte flüchten.
Es sollen total 21 Alben zu diesem Thema erscheinen. Wenn wir in diesem Rhythmus weitermachen, werde ich etwa mit 67 Jahren fertig sein», lacht Thomas.
Das erste Video erreicht ein Millionenpublikum
Wie kam es dazu, dass sich der Thuner dem Kollektiv anschloss? Ursprünglich bewarb sich Winkler mit einem Video bei der Band Dragonforce, erhielt aber eine Absage. Dann schickte ihm Bowes eine E-Mail.
«Er hat mich für den Posten als Sänger bei Gloryhammer angefragt. Zuerst sagte ich ihm ab. Etwa ein halbes Jahr später kam erneut eine Anfrage. Bowes fügte an, dass sie bereits alle Songs parat und mit Napalm Records ein Label im Rücken hätten.
Als er mir von den Kostümen erzählte, fand ich das ziemlich witzig. Schlussendlich gab dies den Ausschlag für meine Zusage.»
Danach ging alles schnell. Das Kollektiv traf sich in London für ein Fotoshooting. Beim zweiten Treffen wurden die Songs im Studio aufgenommen. Als erste Single wählte man «Angus McFife».
«Das dazugehörige Video wurde in Berlin gedreht. Als es auf YouTube gestellt wurde, betrug die Anzahl der Aufrufe innert weniger Tage über eine Million. Mittlerweile besitzt der Clip über sieben Millionen Klicks», ergänzt Winkler.
Ausverkaufte Konzerte und Zukunftspläne
Die Band entstand 2010. Das erste Album namens «Tales from the Kingdom of Fife» erschien drei Jahre später.
Der Nachfolger hat deutsche und schweizerische Hitparaden-Platzierungen geschafft. Die dritte Platte steigert den Erfolg. Sie erreicht Platz sechs in Deutschland, den achten Platz in der Schweizer Hitparade sowie Platz drei der englischen Rock-Charts.
Es folgten Konzerte in verschiedenen europäischen Ländern und Amerika. Teilweise war dabei über die Hälfte der Lokalitäten ausverkauft.
Als Besonderheit stellt Winkler stolz den diesjährigen Auftritt auf der Hauptbühne des Wacken Open Airs heraus.
Im Oktober startet eine Europatournee. Um dafür gewappnet zu sein, trainiert Winkler im Fitnessstudio und trinkt fast keinen Alkohol. Eine gesunde Ernährung gehört ebenfalls dazu.
«Schon als Kind hat es mich fasziniert, auf der Bühne zu stehen. Es geht mir neben der Unterhaltung des Publikums darum, eine Geschichte zu erzählen. Kurzum: Das kreative Schaffen ist mein Antrieb.»
Viele persönliche Pläne hätten sich bereits verwirklicht. Ein weiteres Ziel sei es, die Konstanz aufrechtzuerhalten, den Erfolg sowie Gagen zu steigern. Letzteres fügt er mit einem Schmunzeln hinzu.
Metal und das Notariat besitzen Gemeinsamkeiten
Etwa drei Monate im Jahr ist er mit Gloryhammer auf Tournee. Neben seiner Tätigkeit als Sänger arbeitet Winkler in Thun als Notar. Das nimmt viel Zeit in Anspruch.
«Ein Kollege hilft bei Dringlichkeiten aus. Unterwegs kann ich wichtige Sachen auch per Mail prüfen. Für Urkunden geht das nicht, diese müssen bis zur Rückkehr aufgeschoben werden.»
Macht sich seine Betätigung als Sänger im Alltag in der Kanzlei bemerkbar? «Manchmal fragen mich Kunden, ob ich ihnen den Vertrag vorsingen könnte, weil sie einen Bericht in der Zeitung gelesen haben. Viele Mitarbeiter wissen zudem Bescheid über meine Musikkarriere. Viele finden es lässig, dass einer aus ihren Reihen etwas macht, was voll im Widerspruch des Berufs steht.»
Dabei gäbe es laut Winkler durchaus Gemeinsamkeiten zwischen seinem Hobby und Arbeit. Zum Beispiel bezüglich des Textschreibens: «Beim Notariat schreibe ich im Grunde den ganzen Tag Texte, obwohl es sich um trockene Verträge handelt. In der Band geht es hingegen mit mehr Fantasie zur Sache. Schlussendlich benötigt beides ähnliche Fähigkeiten.»
Winkler ist längst mit seinem Getränk fertig, verabschiedet sich und geht zurück zur Arbeit. Sein Weg zum Büro beträgt knapp fünf Minuten. Eine Anekdote gibt es ebenfalls noch, allerdings etwas später per Mail.
Winkler schreibt: «An einer Autogrammstunde in Frankreich kam ein Paar mit seinem Neugeborenen zu mir. Stolz teilten mir die beiden mit, dass sie ihren Nachwuchs nach mir benannt hätte: Angus. Weiter bat mich der Mann, ihr Baby zu signieren. Stattdessen gab ich ihm ein T-Shirt in Damengrösse und sagte ihm, dass sei ähnlich unpassend wie seine Bitte.»