Die unrühmliche Rolle der Schweiz beim Holocaust

Benedikt Theiler
Benedikt Theiler

Bern,

Vor 75 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Auch Schweizer waren unter den Inhaftierten.

Auschwitz-Birkenau
Raureif ist am frühen Morgen auf der Stacheldrahtanlage des früheren Konzentrationslagers Auschwitz I zu sehen. Am 27.01.2020 jährt sich zum 75. Mal die Befreiung des Konzentrationslagers durch die Rote Armee. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Bundespräsidentin Sommaruga reist am Montag zum Gedenkanlass nach Auschwitz.
  • Vor 75 Jahren befreite die Rote Armee das Konzentrationslager der Nazis.
  • Die Schweiz spielte beim Holocaust eine unrühmliche Rolle.

Morgen Montag wird Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga am Gedenkanlass in Auschwitz teilnehmen. Vor genau 75 Jahren befreiten Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des Konzentrationslagers im heutigen Polen. Allein im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau verloren über eine Millionen Menschen durch die Gräueltaten der Nationalsozialisten ihr Leben.

«Es ist aus Sicht der Schweiz ein wichtiges Anliegen, die Erinnerung an den Holocaust wach zu halten und aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen», schreibt der Bund in einer Mitteilung.

Bergier-Bericht und die Verstrickungen der Schweiz mit Nazi-Deutschland

Dass die Schweiz in dieser Geschichte auch zahlreiche Fehler begangen hat und Teil dieser unrühmlichen Geschichte war, ist allerspätestens seit Veröffentlichung des Bergier-Berichts im März 2002 klar. Die Schweiz machte etwa Grenzen für tausende jüdische Flüchtlinge dicht, lieferte Waffen an die Nazis oder sogenanntes Raubgold wurde in Schweizer Banken gelagert.

bergier
Die Bergier Kommission bei der Veröffentlichung ihres Berichts vlnr: Linus von Castelmur, Generalsekretär, Jean-Francois Bergier, Präsident und Sybil Milton, Vizepräsidentin, vor einer riesigen Medienpräsenz im Bundeshaus, am Freitag, 10.Dezember 1999 in Bern. - Keystone

Die umfassende Untersuchung der Bergier-Kommission brachte das ganze Ausmass, mit der Vermögenswerte von Opfern des Nationalsozialistischen Regimes in die Schweiz gelangten, zu Tage. Aber auch Täterschaften und Kollaborationen wurden aufgedeckt.

Die Schweiz war wirtschafts- und auch flüchtlingspolitisch mit dem nationalsozialistischen Deutschland verstrickt, resümierte der Bericht.

Auch zahlreiche Schweizer inhaftiert

Aber auch auf der Opferseite waren zahlreiche Schweizer, wie ein kürzlich erschienenes Buch dokumentiert. Das Buch der drei Journalisten Balz Spörri, René Staubli und Benno Tuchschmid mit dem Titel «Die Schweizer KZ-Häftlinge. Vergessene Opfer des Dritten Reichs» schildert die Schicksale Hunderter Schweizerinnen und Schweizer, die in den Konzentrationslagern inhaftiert waren.

Die meisten von ihnen wurden umgebracht. Unter ihnen Männer, Frauen, Kinder, Juden, Sozialisten, Homosexuelle, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas oder Widerstandskämpfer.

Auschwitz-Birkenau
Schuhe der Häftlinge werden im Museum des früheren Konzentrationslagers Auschwitz I ausgestellt. - dpa

Alle nachgewiesenen 391 Schweizer Staatsbürger wurden in Deutschland oder in von Nazis besetzten Staaten verhaftet und in KZs deportiert. Belegt wurden auch 328 KZ-Häftlinge, die in der Schweiz geboren wurden, aber nie die Schweizer Staatsbürgerschaft besassen. Von diesen insgesamt 719 Internierten überlebten mindestens 446 den KZ-Terror nicht.

Schweiz hätte mehr tun können

Die Autoren betonen, dass die offizielle Schweiz deutlich mehr für die Inhaftierten hätte tun können. Doch sie habe sich nur in Einzelfällen für die dem Tod ausgelieferten Bürger eingesetzt. Dies, obwohl aussichtsreiche Möglichkeiten dazu bestanden.

bundesrat 1945
Am 20. August 1945 endet der Aktivdienst der Schweizer Armee, der in den Kriegsjahren des Zweiten Weltkrieges von 1939 bis 1945 von den Behörden angeordnet worden war. Zu diesem Anlass werden am 19. August 1945 die Feldzeichen der Bataillone in einer feierlichen Zeremonie ins Bundeshaus in Bern gebracht. (v.r.n.l.) General Henri Guisan, Bundespräsident Eduard von Steiger, Bundesrat Karl Kobelt und Bundesrat Enrico Celio auf dem Podest anlässlich der Fahnenehrung auf dem Bundesplatz in Bern am 20. August 1945. - Keystone

Dazu hätten die Schweizer Behörden oft das Narrativ der Nazis übernommen und die Inhaftierten als nicht mehr «richtige» und damit schutzbedürftige Schweizer betrachtet.

Auch nach dem Krieg hielt der Bundesrat an der Version fest, man habe während des Krieges alles Mögliche unternommen, um die Landsleute zu schützen. Viele Schweizer KZ-Überlebende seien oft nur halbherzig und kleinlich entschädigt worden.

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