Die unrühmliche Rolle der Schweiz beim Holocaust
Vor 75 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Auch Schweizer waren unter den Inhaftierten.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundespräsidentin Sommaruga reist am Montag zum Gedenkanlass nach Auschwitz.
- Vor 75 Jahren befreite die Rote Armee das Konzentrationslager der Nazis.
- Die Schweiz spielte beim Holocaust eine unrühmliche Rolle.
Morgen Montag wird Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga am Gedenkanlass in Auschwitz teilnehmen. Vor genau 75 Jahren befreiten Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des Konzentrationslagers im heutigen Polen. Allein im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau verloren über eine Millionen Menschen durch die Gräueltaten der Nationalsozialisten ihr Leben.
«Es ist aus Sicht der Schweiz ein wichtiges Anliegen, die Erinnerung an den Holocaust wach zu halten und aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen», schreibt der Bund in einer Mitteilung.
Bergier-Bericht und die Verstrickungen der Schweiz mit Nazi-Deutschland
Dass die Schweiz in dieser Geschichte auch zahlreiche Fehler begangen hat und Teil dieser unrühmlichen Geschichte war, ist allerspätestens seit Veröffentlichung des Bergier-Berichts im März 2002 klar. Die Schweiz machte etwa Grenzen für tausende jüdische Flüchtlinge dicht, lieferte Waffen an die Nazis oder sogenanntes Raubgold wurde in Schweizer Banken gelagert.
Die umfassende Untersuchung der Bergier-Kommission brachte das ganze Ausmass, mit der Vermögenswerte von Opfern des Nationalsozialistischen Regimes in die Schweiz gelangten, zu Tage. Aber auch Täterschaften und Kollaborationen wurden aufgedeckt.
Die Schweiz war wirtschafts- und auch flüchtlingspolitisch mit dem nationalsozialistischen Deutschland verstrickt, resümierte der Bericht.
Auch zahlreiche Schweizer inhaftiert
Aber auch auf der Opferseite waren zahlreiche Schweizer, wie ein kürzlich erschienenes Buch dokumentiert. Das Buch der drei Journalisten Balz Spörri, René Staubli und Benno Tuchschmid mit dem Titel «Die Schweizer KZ-Häftlinge. Vergessene Opfer des Dritten Reichs» schildert die Schicksale Hunderter Schweizerinnen und Schweizer, die in den Konzentrationslagern inhaftiert waren.
Die meisten von ihnen wurden umgebracht. Unter ihnen Männer, Frauen, Kinder, Juden, Sozialisten, Homosexuelle, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas oder Widerstandskämpfer.
Alle nachgewiesenen 391 Schweizer Staatsbürger wurden in Deutschland oder in von Nazis besetzten Staaten verhaftet und in KZs deportiert. Belegt wurden auch 328 KZ-Häftlinge, die in der Schweiz geboren wurden, aber nie die Schweizer Staatsbürgerschaft besassen. Von diesen insgesamt 719 Internierten überlebten mindestens 446 den KZ-Terror nicht.
Schweiz hätte mehr tun können
Die Autoren betonen, dass die offizielle Schweiz deutlich mehr für die Inhaftierten hätte tun können. Doch sie habe sich nur in Einzelfällen für die dem Tod ausgelieferten Bürger eingesetzt. Dies, obwohl aussichtsreiche Möglichkeiten dazu bestanden.
Dazu hätten die Schweizer Behörden oft das Narrativ der Nazis übernommen und die Inhaftierten als nicht mehr «richtige» und damit schutzbedürftige Schweizer betrachtet.
Auch nach dem Krieg hielt der Bundesrat an der Version fest, man habe während des Krieges alles Mögliche unternommen, um die Landsleute zu schützen. Viele Schweizer KZ-Überlebende seien oft nur halbherzig und kleinlich entschädigt worden.