Neue Tracking-Methoden wie Airtags werden in Zürich schon auf dem Schulweg eingesetzt. Zu viel Überwachung sei allerdings kontraproduktiv, warnen Experten.
Schulkinder mit Rucksack
Ängstliche Eltern legen ihren Kinder manchmal GPS-Geräte wie Airtags in den Rucksack. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Einige Zürcher Eltern rüsten ihre Kinder für den Schulweg mit Airtags aus.
  • So müssten sie sich keine Sorgen machen, erklärt eine Mutter bei Nau.ch.
  • Ein Experte kritisiert: Permanente Ortung greife in die Privatsphäre der Kinder ein.
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Adrian G.* (43) und seine Frau gehen auf Nummer sicher: Das Ehepaar hat seiner fünfjährigen Tochter einen Airtag von Apple in den Rucksack gelegt. «Damit sie auf dem Heimweg vom Chindsgi nicht verloren geht», sagt der Vater zu Nau.ch.

Die Familie lebt in der Zürcher Agglomeration. Die kleine Clara geht derzeit in den ersten Kindergarten rund 500 Meter von zu Hause entfernt. «Sie soll am Mittag und Nachmittag selbstständig heimlaufen können», sagt die Mutter.

Kind geht über Mittag in die Migros

Statt sie zu begleiten, überwachen sie die Kleine darum zur Sicherheit mit dem GPS-Tracker. Die Kleine weiss davon nichts. «Wenn sie nicht nach Hause kommt, kann ich einfach auf dem Handy schauen, wo sie ist. Dann muss ich mir keine Sorgen machen, wenn sie einmal länger braucht», so die Mutter.

Denn das Paar hat von bösen Überraschungen gehört: Ein Chindsgi-Gspänli von Clara ist mittags statt nach Hause in die Migros gegangen – und kaufte sich ein Glacé. Seine Mutter erfuhr davon erst, als Freunde den Buben im Einkaufszentrum erblickten. «Es kann aber auch etwas ganz Schlimmes passieren, wenn die Kleinen allein nach Hause laufen», glauben Adrian und seine Frau.

Airtag
Einige Zürcher Eltern statten ihre Kinder für den Schulweg mit Airtags aus. So fühlen sie sich sicherer. (Symbolbild)
Beat Schwendimann
Beat Schwendimann vom Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer warnt: Zu viel Überwachung könne das Vertrauen zwischen Eltern und Kind beeinträchtigen.
Kinder Schulweg
Schwendimann: «Kinder sollten lernen, wie sie sich sicher im öffentlichen Raum bewegen, ohne sich ständig überwacht zu fühlen.»
Schulwegtraining
Die meisten Eltern setzen auf die wichtigen traditionellen Sicherheitsmassnahmen – wie Schulwegtraining.
Schulweg
Dabei gehen die Eltern den Weg mehrmals mit den Kindern und weisen sie auf mögliche Gefahren hin.

Tatsächlich ist Clara nicht die Einzige in Zürich, die mit einem Airtag zur Schule geschickt wird: «Wir haben Kenntnis von vereinzelten Fällen, in denen Kinder mit Airtags ausgestattet sind.» Das sagt Ursina Zindel, Co-Präsidentin des Verbands Kindergarten Zürich, zu Nau.ch.

Zindel erklärt: «Für Eltern kann es eine schwierige Vorstellung sein, dass ihr noch so junges Kind alleine unterwegs ist.» Besonders wenn die Eltern selbst als Kind den Schulweg nicht alleine bestritten hätten. Doch rät man davon ab: «In Einzelfällen mag ein Airtag Sinn machen, im Allgemeinen würden wir aber darauf verzichten.»

Denn: «Der Schulweg ist ein wichtiges Lernfeld für das Kind.» Dort könne es ohne Erwachsene die sozialen Fähigkeiten erproben und selbstständiger werden.

Experte: «Übermässige Überwachung kann Vertrauen beeinträchtigen»

Das sieht auch Beat A. Schwendimann so – er ist der Leiter Pädagogik beim Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH). «Die Technologie kann Eltern ein Gefühl der Sicherheit geben und die Angst mindern», sagt er gegenüber dieser Redaktion. Im Falle von Problemen oder Vorfällen könnten Eltern schneller reagieren und Unterstützung bieten.

Doch er warnt: «Übermässige Überwachung kann das Vertrauen zwischen Eltern und Kind beeinträchtigen. Kinder sollten lernen, wie sie sich sicher im öffentlichen Raum bewegen, ohne sich ständig überwacht zu fühlen.» Er spricht auch Bedenken bezüglich Datenschutz aus: «Eine permanente Ortung der Kinder greift in deren Privatsphäre ein. Zudem könnten die gesammelten Daten missbraucht werden.»

Besser den Schulweg ablaufen

Die Massnahme, Kinder mit GPS-Trackern wie Airtags auszustatten, sei noch relativ neu, so Beat Schwendimann. Deshalb seien dem Verband noch keine systematischen Erhebungen dazu bekannt.

Würdest du dein Kind für den Schulweg mit einem Airtag ausstatten?

«Die meisten Eltern greifen auf traditionelle Sicherheitsmassnahmen zurück», sagt Schwendimann. Das Training des Schulwegs gehöre dabei zu den wichtigsten Vorkehrungen: «Die Eltern üben den Schulweg mehrfach mit ihren Kindern und weisen dabei auf mögliche Gefahrenquellen hin. Dies stärkt das Sicherheitsbewusstsein und die Orientierung der Kinder.»

Auch Michael Rytz, Projektleiter Verkehrssicherheit des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS,) betont: «Unser Ziel muss es sein, den Kindern den sicheren und selbstständigen Weg zu Fuss zu ermöglichen.»

Dazu brauche es ein sicheres Verkehrsumfeld, eine gute Vorbereitung auf den Schulweg und rücksichtsvolle Verkehrsteilnehmende. Airtags seien aber beim VCS bisher kein Thema gewesen.

* Name von der Redaktion geändert.

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