Epidemiologe Tanner: Verantwortung muss wieder an die Bürger zurück
Im Kampf gegen die Corona-Pandemie muss die Verantwortung wieder zurück zum einzelnen Bürger, fordert der Epidemiologe Marcel Tanner.
Das Wichtigste in Kürze
- Marcel Tanner will die Bürger in der Corona-Pandemie wieder stärker in die Pflicht nehmen.
- Die einzelnen Menschen sollen mehr Verantwortung übernehmen, fordert der Epidemiologe.
- Zudem betont Tanner, wie wichtig es sei, sich impfen zu lassen.
Der Epidemiologe Marcel Tanner schlägt vor, die einzelnen Bürgerinnen und Bürger bei der Pandemiebekämpfung wieder in die Pflicht zu nehmen. Möglichst viele Menschen müssten nun geimpft werden, um von flächendeckenden nationalen Massnahmen wegzukommen.
Der langjährige Direktor des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts (Swiss TPH) verweist auf Erfahrungen mit der Seuchenbekämpfung in Afrika. Dies tut er in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung». Überwachung und rasches Eingreifen vor Ort in den einzelnen Dörfern helfe dort die Verbreitung von Seuchen einzugrenzen.
«Das Virus werden wir nicht mehr los», sagt das ehemalige Task-Force-Mitglied. «Wir können es nicht eliminieren und wir werden damit leben müssen, aber die Pandemie geht dank der Impfung zu Ende.» Das Wichtigste sei deshalb, das sich möglichst viele Menschen rasch impfen liessen. Gleichzeitig müsse man die Lage konsequent überwachen, um frühzeitig und gezielt eingreifen zu können, sobald es zu Ausbrüchen komme.
Mit einer Impfung komme man rasch von flächendeckenden, nationalen Massnahmen weg. «Sie machen die Leute müde und werden deshalb oft gar nicht mehr richtig eingehalten. Das Covid-Zertifikat ist eine Möglichkeit, der gegenwärtigen Situation Rechnung zu tragen.»
Verantwortung wieder bei den Bürgern
Daneben sei genauso wichtig, dass die Verantwortung für die Virus-Bekämpfung wieder an kantonale und kommunale Behörden und Institutionen zurückgehe. Auch die Bürgerinnen und Bürger müssen wieder wichtiger werden. «Nur so wird es auf Dauer möglich sein, mit dem Virus zu leben, ohne ständig von Einschränkungen erdrückt zu werden.»
Die Kommunikation mit der Bevölkerung sei auf Dauer viel einfacher und effektiver, wenn sie vor Ort erfolge. Und nicht nur aus dem fernen Bundeshaus komme. Das erhöhe auch die Akzeptanz.
Bei der Diskussion über die Ausweitung des Zertifikats sollten zum Beispiel alle Beteiligten nachdenken. Nicht nur der Bundesrat, sondern auch Geschäfte, Gastronomen oder Veranstalter. Alle sollten sich die Frage stellen, wie sie mit diesem Instrument zur Entschärfung der Lage beitragen könnten.
«Nur so kommen wir wieder zurück zur Normalität. Die kompromisslose Ablehnung des Zertifikates durch Gastrosuisse ist so gesehen kurzsichtig: Damit wird Verantwortung abgeschoben und die Rückkehr zur Normalität verzögert. Mit dem Virus leben bedeutet etwas anderes: Die Bürgerinnen und Bürger müssen wieder in der Pflicht sein. Sonst bleiben wir immer im Krisenmodus.»