ETH Zürich verschwindet von X – nun droht «Irrsinn»
Viele deutschsprachige Hochschulen haben sich von der Plattform X zurückgezogen – nun auch die ETH Zürich. «Das ist ein Verlust», findet ein Experte.

Das Wichtigste in Kürze
- Die ETH Zürich hat sich, wie viele andere Hochschulen, von X abgemeldet.
- Andere Schweizer Institutionen wägen ebenfalls die Vor- und Nachteile der Plattform ab.
- Ein Experte befürchtet, X werde so «noch stärker eine Echokammer des Irrsinns».
Im Januar gaben mehr als 60 Hochschulen und Forschungsinstitutionen aus dem deutschsprachigen Ausland ihren Rückzug von X bekannt. Auch die Universität Basel ist seit dem 31. Januar nicht mehr auf der Plattform aktiv.
Jetzt hat sich auch die ETH Zürich dazu entschlossen, ihre Accounts nicht mehr aktiv zu bedienen. Seit dem 18. März herrscht dort Funkstille.
«Dieser Entscheid basiert auf einer sorgfältigen Bewertung», sagt Sprecherin Franziska Schmid gegenüber Nau.ch. Zum einen sei die Reichweite der Beiträge der ETH auf X «seit Jahren stark rückläufig».

Das reduziere die Wirksamkeit der Plattform für die Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule. «Auch sehen wir, dass die Interaktion mit unseren Beiträgen zurückgeht», so Schmid.
«Zudem haben die Aktivitäten automatisierter Accounts zugenommen», sagt die ETH-Sprecherin. Das mache es aufwändiger, die Accounts «sinnvoll zu moderieren».
Gleichzeitig wandere die Wissenschafts-Community, die die Hauptzielgruppe darstellt, auf andere Plattformen ab. Das Engagement auf X lohne sich so für die ETH immer weniger.
«Deshalb konzentrieren wir unsere Energie auf jene Plattformen, auf denen wir unsere Kommunikation wirkungsvoll umsetzen können», erklärt Schmid.
Uni Bern erhält auf X-Abmeldung «positive» Reaktionen
Die Universität Bern hat Anfang März ebenfalls ihren Rückzug von X bekannt gegeben. Sprecherin Nathalie Matter sagt: Eine Analyse der Metriken habe ergeben, dass die gesteckten Ziele auf dieser Plattform «nicht mehr erreicht werden können».
Die Fakultäten, Institute und Zentren der Universität seien weiterhin frei in der Wahl der Plattformen, auf denen sie kommunizieren möchten.
«Die bisherigen Reaktionen darauf waren positiv», sagt Matter.
Andere Schweizer Hochschulen twittern zwar noch – aber vielleicht nicht mehr lange.
Unis Zürich und Freiburg prüfen Präsenz auf X
Die Universität Zürich sagt auf Anfrage: «Wir prüfen derzeit – wie andere Schweizer Universitäten auch – die Vor- und Nachteile von X. Und ob es für die UZH sinnvoll wäre, X zu verlassen.»
Von der Universität Freiburg heisst es: «Wir evaluieren unsere Social-Media-Strategie regelmässig, einschliesslich unserer Präsenz auf X.» Entscheidend sei dabei, dass eine Plattform einen klaren Mehrwert biete.
«In diesem Sinne sind Anpassungen geplant, die wir zu gegebener Zeit kommunizieren werden», kündigt die Uni an. «Zuvor gilt es jedoch, diese intern sorgfältig zu prüfen und zu entscheiden.»
Die Universität Luzern sagt dazu: «Wir beobachten die Situation und die weitere Entwicklung sorgfältig, haben aber noch keinen Entscheid getroffen.»
Hochschulen bemängeln fehlende Werte
Die über 60 deutschsprachigen Institutionen, die X gemeinsam verliessen, begründeten dies unter anderem mit «der algorithmischen Verstärkung rechtspopulistischer Inhalte».
«Der Austritt der Institutionen unterstreicht ihren Einsatz für eine faktenbasierte Kommunikation und gegen antidemokratische Kräfte», steht in der Mitteilung.
Und weiter: «Die Werte, die Vielfalt, Freiheit und Wissenschaft fördern, sind auf der Plattform nicht mehr gegeben.»
Doch könnte es im Kampf gegen Fake News und Populismus nicht kontraproduktiv sein, wenn sich die Wissenschaft von X zurückzieht?
Plattform wird «Echokammer des Irrsinns»
Sozialwissenschaftler und Verschwörungstheorie-Experte Marko Kovic sagt: «Ich kann nachvollziehen, dass sich Hochschulen von X zurückziehen, weil das diskursive Klima rauer wird. Aber ich finde es schade, weil das Stimmen sind, die gerade, weil der Diskurs rauer wird, nötig sind.»
X sei nach wie vor eine stark genutzte Plattform. «Wenn sich alle halbwegs rationalen Stimmen zurückziehen, wird die Plattform noch stärker eine Echokammer des Irrsinns», so Kovic.

Allerdings gehe es bei dem X-Rückzug der ETH wohl mehr um die Symbolik. «Die ETH nutzte X in erster Linie für PR, wie zum Beispiel Links zu Pressemitteilungen oder Blogs. Das hatte wenig Resonanz», erklärt Kovic.
Er hält fest: «Der Diskurs wird nicht massiv schlechter ohne die ETH, weil die ETH kein prominenter Teil des Diskurses war.»
Aber: «Wenn sich Dutzende Hochschulen von Twitter verabschieden, hat das in der Summe schon einen Effekt.»
So kämen weniger Menschen in Kontakt mit dem, was diese Hochschulen machen. «Das ist ein Verlust», sagt Kovic.