Falsche Erinnerung aus Therapie zerstört Appenzeller Familie
Zwei Schwestern erheben grausame Vorwürfen gegen ihren Vater. In der Psychotherapie sollen einer von ihnen falsche Erinnerungen eingepflanzt worden sein.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Appenzellerland beschäftigte eine Gruselstory über Jahre die lokale Polizei und Justiz.
- Zwei Schwestern werfen ihrem Vater schreckliche Taten vor – zum Beispiel Missbrauch.
- In Wirklichkeit wurden sie wohl Opfer einer Verschwörungstheorie.
Falsche Erinnerungen zweier Schwestern haben das Glück einer Appenzeller Familie zerstört. Die beiden werfen ihrem Vater schreckliche Taten vor. Allerdings handelt es sich dabei um ein Hirngespinst – entstanden in einer Psychotherapie, wie SRF berichtet.
Die Anschuldigungen begannen während der Therapie einer der Zwillingsschwestern namens Bettina im November 2019. Nur acht Wochen nach der ersten Sitzung zeigte sie ihren Vater wegen sexuellen Missbrauchs an. Auch behauptete sie, ihre Mutter sei bei den angeblichen Übergriffen dabei gewesen und hätte alles gewusst.
Die Eltern der Zwillinge wurden von allen Vorwürfen freigesprochen. Dennoch hat der Schaden seine Spuren hinterlassen. «Es war, als hätte mir jemand mit dem Metallhammer auf den Kopf geschlagen», sagt der Vater, Chläus.
Die Mutter führt aus: «Das ist solch ein ungeheuerlicher Vorwurf, als wär ich ein Monster. Ich hätte meinen Mann sofort verlassen, wenn so etwas jemals vorgefallen wäre.»
Stundenlange Verhöre bei der Polizei
Zurück zu den Vorwürfen. Nach der Anzeige folgen stundenlange Verhöre bei der Polizei, bei denen alle Familienmitglieder befragt werden. Alle halten dagegen – anfangs auch Belinda, die Schwester.
Ein Dreivierteljahr später will die Staatsanwaltschaft das Verfahren auch einstellen, da keine Beweise gefunden werden.
Doch Bettinas Anwältin wehrt sich dagegen. Es folgen weitere Untersuchungen und schliesslich eine Anklage beim Kantonsgericht Appenzell Ausserrhoden. Im September 2021 wird Chläus entlastet.
Nur damit die Schwestern, nun vereint in ihrem Hirngespinst, mit neuen Anschuldigungen aufwarten. Sie behaupten auf einmal, dass ihr Grossvater seine Tochter vergewaltigt und so ein behindertes «Inzestkind» gezeugt habe. Das Kind habe er später umgebracht.
Und damit nicht genug: Der Vater soll eine Kellnerin ermordet haben, behaupten die Schwestern. Den Mord beschreiben sie in grausamen Details, die Schilderungen erinnern an satanistische Rituale. Erneut kommt es zu Ermittlungen – erneut wird nichts bewiesen.
Ex-Mann sicher: Hirngespinst wurde Schwester in Therapie eingepflanzt
Laut der Staatsanwaltschaft sind die Vorwürfe «durchwegs unglaubhaft». Die Aussagen der Schwestern seien durch Fremdeinflüsse «verfälscht» oder «verzerrt» worden.
Die Eltern und der Ex-Mann von Belinda sind überzeugt: Ursprung der Hirngespinste war Bettinas Psychotherapie. Tatsächlich steht in der Therapieakte, dass die Patientin Missbrauch zunächst verneint habe.
Und längst ist bekannt, dass gewisse Therapeutinnen und Therapeuten an satanistische Rituale glauben – «Satanic Panic», heisst das Phänomen. Dabei handelt es sich um eine Verschwörungstheorie.
Das zweite Verfahren wird im Februar 2024 eingestellt – doch die Familie bleibt zerbrochen. «Ich wache jeden Morgen mit Gedanken an meine beiden verlorenen Töchter auf», sagt die Mutter der Zwillinge. «Und hoffe, dass sie zu Sinnen kommen. Ich liebe sie doch immer noch.»
Ihr Vater betont: «Unsere Tür wird immer offen bleiben für die beiden.»