Opfer-Kommission kritisiert interne Untersuchung von Missbräuchen
Die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche sollten nicht von einem Geistlichen untersucht werden, finden mehrere Akteure.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Bischof ist für die Untersuchung der Missbrauchsfälle in der Kirche zuständig.
- Das kommt bei der Westschweizer Opfer-Anhörungskomission nicht gut an.
- Stattdessen brauche es eine unabhängige Betrachtung.
Die von der Schweizer Bischofskonferenz angeordnete Untersuchung über die Vertuschung von Missbrauchsfällen sollte nicht von einem Geistlichen durchgeführt werden. Diese Meinung vertreten Frauen, die sich seit Jahren mit Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche beschäftigen.
Es sei ein Fehler, die Untersuchung dem Bischof von Chur anzuvertrauen, stellte Sylvie Perrinjaquet, Präsidentin der Westschweizer Anhörungskommission für Opfer von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche (Cecar), in einem Interview mit der Neuenburger Tageszeitung «Arcinfo» fest. Bischof Joseph Bonnemain müsse über seine Amtskollegen urteilen, die er seit Jahrzehnten kenne.
Theologin befürchtet Befangenheit
«Das ist eine sehr schlechte Lösung», sagte Perrinjaquet. In der katholischen Kirche gebe es eine Kultur der Geheimhaltung und eine problematische Haltung gegenüber Frauen und Kindern. Kirchenvertretern fehle zum Teil die Fähigkeit, sich bewusst zu machen, dass man irgendwann aufhören müsse, sich zu verleugnen, und zugeben müsse, dass es in der Kirche Personen gebe, die Kinder missbrauchten.
Cecar ist eine unabhängige und neutrale Kommission, die seit ihrer Gründung 2015 Opfer von verjährtem sexuellem Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche begleitet.
Jacqueline Straub sorgte 2018 mit ihrem Buch «Kickt die Kirche aus dem Koma» für Furore. Die katholische Theologin und Journalistin findet es «völlig absurd», dass der Churer Bischof als Mitglied der Bischofskonferenz auch die Untersuchung nach der Veröffentlichung des Missbrauchsberichts leitet.
Er müsse nun Vorwürfe gegen Amtsbrüder untersuchen und da gebe es immer eine «gewisse Befangenheit», stellt sie in einem Interview mit der «Schweiz am Wochenende» fest.
«Es braucht einen externen Sonderermittler, eine unabhängige Person oder gar eine Gruppe» so Straub. Es sei problematisch, wenn die katholische Amtskirche die Missbrauchsfälle und Vertuschungen allein aufklären wolle.
Straub: Geistliche sollten Ämter ruhen lassen
Vor allem, weil sie oft nicht transparent vorgehe. Nur durch Zeitungsrecherche sei überhaupt ans Licht gekommen, dass es eine Untersuchung gebe. «Der Abschlussbericht wird dann nach Rom geschickt, was dann passiert, wird im stillen Kämmerlein besprochen», so Straub.
Zudem sei es bedenklich, dass die Personen, gegen die eine Untersuchung geführt werde, nicht wenigstens zwischenzeitlich ihre Ämter ruhen liessen. Es sei richtig, dass der Abt von Saint-Maurice, Jean César Scarcella, sein Amt ruhen lasse und proaktiv diesen Schritt kommuniziert habe.
«Ob jemand Täter oder Vertuscher ist, macht am Ende für die Opfer aber keinen Unterschied», so Straub. Jetzt müssten die Überlebenden im Mittelpunkt stehen, und es müsse alles getan werden, «dass ihnen auch nur ein kleines bisschen Gerechtigkeit widerfährt».