Freikirchen-Seelsorger versuchen junge Schwule umzupolen
Homosexuelle können sich in der Schweiz mittels fragwürdiger Beratungen «bekehren lassen». Die Umpolungstherapien sind höchst umstritten, aber legal.
Das Wichtigste in Kürze
- Berater aus dem freikirchlichen Umfeld bieten umstrittene Behandlungen an.
- Durch Gebete oder Therapien versuchen sie, Homosexuelle zu «befreien».
- Diese Methoden sind in der Schweiz – anders als in anderen Ländern – nicht verboten.
Therapiesitzungen mit gemeinsamen Gebeten, um traumatische Erlebnisse aus der Kindheit aufzuarbeiten: Seelsorgerinnen und Seelsorger aus evangelikalen Kreisen versuchen mit dieser Methode, Homosexuelle «umzupolen».
Um die höchst umstrittenen Praktiken aufzuzeigen, hat SRF-Reporter Livio Chistell für die «Rundschau» einen Selbstversuch mit versteckter Kamera gemacht.
Mit dem Anliegen, sich von seiner Homosexualität befreien zu lassen, meldet er sich unter dem Decknamen «Guido» bei 30 Personen. Die Hälfte davon antwortet.
«Lüge» soll durch Traumata in der Kindheit entstehen
Der junge Mann nimmt insgesamt drei Termine mit verschiedenen Beraterinnen und Seelsorgern war. Und macht dabei verstörende Erfahrungen.
Eine Frau, die sich als «Individualpsychologische Lebensberaterin» ausgibt, fragt, ob in Guidos Kindheit etwas schiefgelaufen sei. Ein Vater-Komplex oder Missbräuche könnten eine Rolle spielen. «Unbewusst kann eine Abneigung gegen das andere Geschlecht entstehen.» Dadurch könne «diese Lüge» zustande gekommen sein, sagt sie.
Eine weitere Therapeutin kommt schnell auf die Kindheit des Reporters zu sprechen. Sie könne keine Heilung versprechen, meint die Frau während dem Beratungs-Gespräch. «Einen Versuch ist es wert. Dann werden wir sehen, was es für Auswirkungen auf deine Neigung hat.»
«In deinem Namen Jesus Christus»
Beim letzten Termin versucht ein Seelsorger der Heilsarmee mittels Gebeten, die «Befreiung» zu erwirken. Der Mann dankt dem Herrn, dass Guido hergekommen ist. «Ich danke dir, dass du diese Lossagung leitest. Damit er heute frei werden kann von diesem Empfinden, das ihn so stört.»
Dann wird Guido ermutigt, die folgenden Worte nachzubeten: «In deinem Namen Jesus Christus von Nazareth, löse ich mich von dieser Hingezogenheit zu Männern. Ich löse mich davon. Im Namen Jesus.»
Wissenschaftlich ist längst erwiesen, dass Homosexualität weder eine Störung noch eine Krankheit ist. In verschiedenen Ländern wie Deutschland, Österreich oder Kanada sind die sogenannten Umpolungstherapien deshalb verboten. In der Schweiz sind sie erlaubt.