Gefährliche Droge boomt unter Asylsuchenden – sie landen beim Arzt
In Boudry NE konsumieren viele Asylsuchende den Medikamentencocktail «Madame Courage». Das hat Folgen – oft brauchen sie dann medizinische Behandlung.
Das Wichtigste in Kürze
- Nordafrikanische Asylsuchende in der Schweiz konsumieren vermehrt «Madame Courage».
- Die Droge aus zwei Medis birgt Risiken – sie zu erhalten, ist aber relativ einfach.
- Ein Arzt erzählt, er behandle ständig neue Betroffene.
Im Bundesasylzentrum im neuenburgischen Boudry sorgt der Medikamentencocktail «Madame Courage» derzeit für Aufsehen. Bei mehreren Asylsuchenden wurde die Droge gefunden – sie kann für Konsumente gefährlich werden.
Der Cocktail besteht aus zwei Medikamenten: aus einem Benzodiazepin und einem Antiepileptikum.
Der Polizei sind die Hände gebunden
Georges-André Lozouet, Sprecher der Kantonspolizei Neuenburg, sagt gegenüber «Arcinfo»: «Wir finden im Rahmen von Kontrollen bei Asylsuchenden aus Nordafrika oft solche Medikamente.»
Das Problem: Die Polizei kann je nach Fall nicht viel machen. Denn wenn es sich um eine begrenzte Menge für den Eigengebrauch handelt, ist der Besitz nicht strafbar.
Entsprechend sei auch das Ausmass kaum bekannt, da diese Droge nicht speziell im Visier der Ermittler sei. «Diese Medikamente sind nicht auf der Liste der Betäubungsmittel. Der Besitz ohne Rezept wird mit einer einfachen Geldstrafe belegt», sagt Lozouet.
Oftmals müssen die jungen Leute nach dem Konsum von «Madame Courage» zum Arzt.
Joël Boiteux, Chefarzt der Stiftung «Addiction Neuchâtel», sagt, er behandle wöchentlich zwei bis drei neue Fälle. Allerdings sei die Behandlung der Asylsuchenden meist nur kurz: «Sie kommen, gehen wieder und oft sehe ich sie nicht mehr.»
Die Patienten kommen vielfach aus der Maghreb-Region, aber beispielsweise auch Personen aus Georgien behandelt der Arzt.
Sucht, Angstzustände oder Depressionen als mögliche Risiken
Doch weshalb kann sich «Madame Courage» so verbreiten? Doktor Olivier Simon, Präsident des «Collège romand de médecine de l'addiction» (Coroma), erklärt: Es sei «leicht, sie sich verschreiben zu lassen und sie dann zu missbrauchen». Der Schwarzmarkt sei ziemlich gross.
Simon warnt zudem vor den Folgen des Konsums und einer Unterschätzung des Problems: «Das Risiko von Sucht, Angstzuständen und Depressionen ist erheblich. Aber da es keine direkten Todesfälle gibt, ist das Phänomen weniger sichtbar.»
Dass «Madame Courage» vor allem bei Personen aus dem Maghreb gefunden wird, ist indes kein Zufall. Schon im Algerien-Krieg in den 1990er-Jahren spielte die Droge eine wichtige Rolle. Übersetzen lässt sich der Begriff etwa mit «Frau Mut». Der Cocktail soll die Soldaten damals nämlich tapferer gemacht haben.