Georgier zeigen uns Alternativen zum E-Voting für Blinde
Das Wichtigste in Kürze
- Blinde verlangen in der Schweiz die Einführung von E-Voting.
- Andere Länder setzen bereits auf unterschiedliche Abstimmungsmethoden für Blinde.
- E-Voting sei jedoch alternativlos, sagt der Blindenverband.
«E-Voting würde mich beim Abstimmen endlich selbständig machen», sagt der blinde Jonas Pauchard. Gegenwärtig muss er wie alle sehbehinderten und blinden Menschen in der Schweiz das Stimmgeheimnis brechen, um abstimmen und wählen zu können.
Doch: Ist E-Voting tatsächlich die einzige Alternative? In den meisten Ländern Europas wird mit Stift und Papier gewählt. Dabei können Sehbehinderte in keinem Land Europas gleichberechtigt wählen, wie eine Studie des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes DBSV zeigt. Dies, obwohl die UN-Behindertenrechtskonvention die politische Teilhabe von Menschen mit Behinderungen vorschreibt.
Wahlschablonen als Alternative?
Der DBSV empfiehlt neben elektronischen Wahlmaschinen auch sogenannte Wahlschablonen. Diese werden zur Orientierung der auszufüllenden Felder auf den Wahlzettel gelegt. In Island werden diese Schablonen von der zentralen Wahlkommission für das ganze Land hergestellt. In anderen Ländern werden sie von Organisationen produziert.
Wie Jessica Schröder vom DBSV gegenüber Nau.ch erklärt, gibt es bisher keine Auswertung über die Nutzung von Wahlschablonen. Eine Auswertung der Europäischen Blindenunion habe jedoch gezeigt, dass E-Voting und Wahlschablonen am beliebtesten seien.
Die Wahlschablone müsse dabei einige Voraussetzungen erfüllen, erklärt Schröder. «Es muss ersichtlich sein, wie der Stimmzettel eingelegt werden muss, etwa durch eine Eckenmarkierung am Stimmzettel. Die Liste der Parteien und oder Kandidaten muss für die Wählerinnen klar zugänglich sein: per Audio-CD, Grossdruck oder Braille.» Und nicht alle könnten Brailleschrift auch lesen.
Zudem: «Ich weiss aus Bekanntenkreisen und aus Berichten aus UK, dass Wahlschablonen manchmal als nicht händisch empfunden werden, aufgrund ihrer Länge und Breite. Und sie bedürfen einiger Einarbeitung für den Umgang.»
Der DBSV empfiehlt generell elektronische Wahlmaschinen. Diese müssten barrierefrei sein: Durch Text-zu-Sprache-Umwandlung, Braille-Ausgabe und akustische Bestätigungstönen. So wäre auch Streichen oder Hinzufügen möglich. Das garantiere eine selbständige und geheime Wahl sicher.
Island, Georgien oder Malta machens vor
Daneben gibt Norwegen für Wahlunterlagen eine gesetzliche Mindestschriftgrösse vor. In Georgien müssen in jedem Wahllokal mindestens zwei Lupen aufliegen für sehbehinderte Menschen. In Ungarn können Sehbehinderte und Blinde ihre Wahlhelfer frei wählen. In Ungarn gibt es eine freie Wahl der Wahlassistenz. In Malta muss in jedem Wahllokal ein Audioabspielgerät vorhanden sein, das den Inhalt des Wahlzettels vorliest.
Portugal bot bei den diesjährigen Europawahlen die Stimmunterlagen für Auslandportugiesen erstmals auch in Brailleschrift an, wie das Konsulat in Zürich bestätigt. «In der Schweiz hat das Angebot jedoch niemand genutzt», sagt Ligia Benyelles. In Belgien verfügen einige Wahlmaschinen über eine Braille-Ausgabe.
Blindenverband: «E-Voting ist alternativlos»
Beim Schweizerischen Zentralverein für das Blindenwesen SZB weiss man um die Möglichkeiten. Eine Wahlschablone sei für taktil geschickte Menschen gut, sagt Interessenvertreter Gerd Bingemann, der selbst blind ist. «Man braucht ein gewisses Geschick, um dies ohne fremde Hilfe machen zu können.»
Zudem: «Wahlunterlagen in Brailleschrift gibt es in der Schweiz nicht», erklärt Bingemann. Die Schweizerische Bibliothek für Blinde, Seh- und Lesebehinderte SBS bietet immerhin Abstimmungsunterlagen in Audioform an – im sogenannten DAISY-Format.
Für Bingemann ist deshalb klar: «E-Voting ist dann alternativlos, wenn alle technischen Bedingungen erfüllt sind und E-Voting barrierefrei ist.» Doch egal, ob Wahlschablone oder E-Voting: «Bei der einen Form braucht es taktiles Geschick, bei der anderen Form elektronisches Verständnis. Der blinde und sehbehinderte Mensch muss also immer einen gewissen Zusatz-Effort machen.»