Gewalt

Gewalt: Asylsuchende Frauen sechsmal häufiger betroffen

Sina Barnert
Sina Barnert

Bülach,

Geflüchtete Frauen sind stärker von Gewalt betroffen als Schweizerinnen. Ganze sechsmal mehr sind sie Opfer, Täter sind meist Männer. Braucht es Massnahmen?

Bundesasylzentrum Glaubenberg
Geflüchtete Frauen leiden in der Schweiz sechsmal mehr unter Gewalt, als Schweizerinnen. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Asylsuchende Frauen sind sechsmal mehr von Gewalt betroffen als Schweizerinnen.
  • Flüchtlingsorganisationen fordern griffige Massnahmen zum Schutz der Frauen.
  • Das Asylsystem sei «von Männern für Männer» gemacht.

In Bülach ZH kam es am 6. Oktober zu einem Femizid. Ein 47-jähriger Afghane wird verdächtigt, seine 29-jährige Frau erstochen zu haben. Das Paar lebte in der Koordinations- und Asylunterkunft Bülach.

Diese Gewalttat ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Statistiken zeigen: Geflüchtete Frauen sind ganze sechsmal häufiger von Gewalt betroffen als Schweizerinnen. Und auch in der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung gibt es weniger Fälle als bei Frauen mit Asylstatus.

System «von Männern für Männer»

Nun fordern Flüchtlingsorganisationen laut der «Sonntagszeitung» Massnahmen, um die geflüchteten Frauen besser zu schützen. «Gewalt und Missbrauch sind leider ein Problem im Asylwesen», sagt Tahmina Taghiyeva von der Organisation Brava.

Bundesasylzentrum
Asylsuchende Frauen müssen in Asylzentren besser vor Gewalt geschützt werden, fordern Flüchtlingsorganisationen. - keystone

«Die Schweiz muss mehr tun, um geflüchteten weiblichen Opfern von Gewalt den notwendigen Schutz und die notwendige Unterstützung zu gewähren.» Das erklärt die Flüchtlingshilfe.

Laut Taghiyeva ist das Hauptproblem schnell gefunden: «Das Schweizer System wurde von Männern für Männer gemacht.» Es fehle eine frauenspezifische Perspektive.

Keine separaten Waschräume

Sie berichtet von Asylunterkünften, bei denen Frauen auf dem gleichen Stock untergebracht seien wie die Männer. Die Zimmer würden sich nicht abschliessen lassen und es seien auch keine separaten Waschräume vorhanden.

Dies mache einige Frauen krank, es komme durch die unsichere Lebenssituation zu einer Retraumatisierung. Einige geflüchtete Frauen müssten jahrelang unter solchen Bedingungen leben.

Männer in der Mehrheit

Im Asylbereich sind Männer in der Mehrheit. Nur etwa 35 Prozent der Asylsuchenden waren dieses Jahr Frauen. In den vorderen Jahren waren es immer weniger als 30 Prozent.

sem wabern Gebäude
Die Zahlen des Staatssekretariat für Migration (SEM): Nur rund 35 Prozent der diesjährigen Asylsuchenden sind Frauen. - wabern.ch

Zwar nimmt die Zahl der Asylanträge von Frauen und Mädchen zu. Dies, seit es bei den Afghaninnen zu einer Praxisänderung gekommen ist. Männer machen allerdings noch immer etwa zwei Drittel der Asylsuchenden aus.

Bund und Kantone mit Massnahmen gegen Gewalt

Dass Konflikte vorprogrammiert sind, wenn Frauen und Männer aus verschiedenen Ländern aufeinandertreffen, liegt auf der Hand. Darum hat der Bundesrat 2019 Massnahmen angeordnet.

In Bundesasylzentren werden alleinreisende Frauen und alleinstehende Frauen mit Kindern gesondert untergebracht. Zwar können Frauen bei einer «sehr hohen Belegung» auch in «gemischtgeschlechtlichen Familienschlaftrakten» untergebracht werden. Das sagt Staatssekretariat für Migration gegenüber der «Sonntagszeitung».

Tut die Schweiz genug gegen Gewalt an Frauen?

Jedoch seien die Zimmer von innen abschliessbar und die Waschräume und Toiletten seien geschlechtergetrennt. Es sei bei Bedarf sogar möglich, Wachleute vor den sanitären Anlagen der Frauen zu postieren, so das SEM.

Männer, die sich etwas zuschulden kommen lassen, würden umplatziert werden. Zudem verweise man die betroffenen Frauen an Opferhilfestellen.

Personal zu wenig geschult

Tahmina Taghiyeva von Brava kritisiert allerdings, dass nicht alle bundesrätlichen Massnahmen umgesetzt seien. Die Schulungen des Personals seien nicht ausreichend. «Nicht nur männliche Asylbewerber kommen als Täter infrage, sondern auch Betreuer», so Taghiyeva.

Nachts fehle es an Frauen als Betreuungspersonal, es gebe zu wenige Fachleute und Dolmetscher. Die Broschüren gegen Gewalt, die verteilt würden, seien unverständlich geschrieben.

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