Grenzwächter soll Hilfe verweigert haben
Ein Schweizer Grenzwächter muss sich ab dem heutigen Mittwoch vor dem Militärgericht 4 in Bern verantworten. Er soll einer syrischen Flüchtlingsfrau die nötige medizinische Hilfe verweigert haben. Infolgedessen erlitt die Schwangere eine Totgeburt.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Schweizer Grenzwächter steht seit heute Mittwoch vor dem Militärgericht in Bern.
- Ihm wird vorgeworfen, für den Tod eines ungeborenen Kindes einer Flüchtlingsfrau aus Syrien verantwortlich zu sein.
- Im schwersten Fall lautet die Anklage auf vorsätzliche Tötung.
Am heutigen Mittwoch beginnt der Prozess gegen einen Schweizer Grenzwächter. Er soll den Tod des Ungeborenen bewusst in Kauf genommen haben, um eine Flüchtlingsgruppe zeitgerecht durch die Schweiz nach Italien zurückzubringen. Der Anklageschrift zufolge habe der Grenzwächter aus
pflichtwidriger Unvorsichtigkeit darauf vertraut, es werde der Familie auf der
Reise nach Domodossola schon nichts passieren.
Doch alles von vorne: Die im siebten Monat schwangere Frau war zusammen mit Angehörigen und weiteren Flüchtlingen Anfang Juli 2014 im Zug von Mailand nach Paris unterwegs. Die Gruppe wurde aufgegriffen. Schweizer Grenzwächter sollten sie danach von Vallorbe VD über Brig VS nach Domodossola (I) zurückschaffen.
Schmerzen und Blutungen
Kurz nach ihrer Ankunft in Brig
setzten bei der Frau Schmerzen und Blutungen ein, die sie als Geburtswehen
beschrieb. Der Ehemann benachrichtigte umgehend die Grenzwächter und forderte
diese mehrmals und eindringlich auf, sofort medizinische Hilfe anzufordern. Laut Anklageschrift gab der
Grenzwächter dem Mann zu verstehen, er werde keine Hilfe anfordern, um die
planmässige Weiterfahrt der Gruppe nach Domodossola nicht zu gefährden.
In Domodossola brach die Syrerin
zusammen. Die italienischen Grenzwächter liessen sofort medizinische Hilfe
kommen. Im örtlichen Spital konnten die Ärzte allerdings nur noch den Tod des
ungeborenen Kindes feststellen.
Internationales Entsetzen
Der Fall sorgte international für
Entsetzen. Der behandelnde Arzt kritisierte die Schweizer Behörden daraufhin in
der Sendung «10vor10» von Schweizer Fernsehen SRF scharf. Bei derartigen
Symptomen hätte die Frau unbedingt zum Arzt oder noch besser ins Krankenhaus
gehört.
Der Prozess vor dem Militärgericht in
Bern dauert voraussichtlich bis am Freitag. Der Anklage sind drei verschiedene
Varianten zugrunde gelegt. Diese hängen unter anderem davon ab, wann im
strafrechtlichen Sinn das Leben eines ungeborenen Kindes beginnt und wann
dessen Tod eingetreten ist. Im schwersten Fall lautet die Anklage auf
vorsätzliche Tötung. Für den Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.