Hausbesetzungen: Warum stehen Gebäude trotz Wohnungsnot leer?
Fälle von Hausbesetzungen werfen die Frage auf, warum Gebäude in Zeiten der Wohnungsnot überhaupt leer stehen. Im Interesse der Vermieter ist dies oft nicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Aktuell gibt es in der Stadt Bern zwei Fälle von illegalen Hausbesetzungen.
- Es stellt sich die Frage, warum in der aktuellen Notlage überhaupt Wohnungen leer stehen.
- Gründe dafür gibt es viele und sie sind unterschiedlich.
In der Region Bern sorgen gleich zwei Fälle von illegalen Hausbesetzungen für Schlagzeilen: Seit dem Pfingstsamstag besetzte ein Kollektiv eine leerstehende Lagerhalle neben dem Bahnhof Köniz.
Am letzten Sonntag wurde die Besetzung friedlich und ohne Polizeieinsatz beendet. Die Besetzer kamen nach einem Ultimatum der Gemeinde einer Räumung zuvor und verliessen das Gebäude.
Derzeit besetzt eine weitere Gruppe ein unbewohntes Wohnhaus im Kirchenfeld-Quartier. Die Besetzung verläuft bislang friedlich und wird von den Behörden geduldet. Das Kollektiv, welches einquartiert ist, äussert im Bekennerschreiben den «Wunsch nach Freiraum, selbst organisierter Kultur und bezahlbarem Wohnraum.»
In Zürich werden leer stehende Gebäude mit Sprayereien verschmiert.
Zeigen die oben genannten Beispiele also, dass in der Schweiz durchaus freier Wohnraum vorhanden wäre?
Zuerst einmal gilt es zu sagen, dass der Schein etwas trügt. Laut dem Bundesamt für Statistik betrug die Leerwohnungsziffer im Jahr 2022 nur 1,31 Prozent. Damit ist sie im Vergleich zum Jahr 2019 (1,66 Prozent) sogar gesunken.
Warum stehen Wohnungen leer?
Gründe, warum eine Wohnung leersteht, gebe es verschiedene, erklärt der UBS-Immobilienexperte Claudio Saputelli gegenüber Nau.ch. Häufig seien es aber «politische und regulatorische Gegebenheiten», die eine Weiternutzung des Gebäudes verhindern. Dazu gehören beispielsweise Einsprachen.
«Es dauert zudem immer eine gewisse Zeit, bis ein neues Projekt ausgearbeitet ist – das ist immer so.» Der Hauseigentümerverband HEV nennt als möglichen Leerstandsgrund auch die Notwendigkeit von baulichen Massnahmen, beispielsweise zum Brandschutz.
Die Baudirektion des Kantons Bern BVD teilt mit, es gebe zu dieser Frage wohl immer eine spezifische Erklärung. Denn: «Es kann nicht generalisiert werden.»
Laut Claudio Saputelli würden Vermieter in den meisten Fällen eine Zwischennutzung anstreben. Auch eine günstigere Vermietung lohne sich in jedem Fall mehr, als das Gebäude leer stehen zu lassen.
«Eine Hausbesetzung ist für den Eigentümer das Schlimmste und gilt es um jeden Preis zu vermeiden.» Bestätigt wird er von der BVD, die bei einem längeren Leerstand «immer eine Zwischennutzung anstrebt».
Ursina Kubli von der Zürcher Kantonalbank nennt aber einen Fall, in dem sich ein Leerstand für den Immobilienbesitzer lohnen kann: Nämlich dann, wenn ein Neubau unmittelbar bevorstehe. «Er behält dann die grösstmögliche Flexibilität.»