Insekten-Pulver im Essen ruft Verschwörer auf Plan
In der EU dürfen neu gewisse Lebensmittel Pulver aus der Hausgrille enthalten. Verschwörer wittern ein neues Gift, das den Menschen untergejubelt werden soll.
Das Wichtigste in Kürze
- Schweizer Läden dürfen Produkte, die Insektenpulver enthalten, verkaufen.
- Verschwörer sind nun der Meinung, die Bevölkerung werde von der Regierung vergiftet.
- Vegetarier stellen klar: Sie verzichten auf Produkte, die Insekten enthalten.
- Die Migros findet ebenfalls, dass diese «nicht auf den Schweizer Teller gehören».
Seit Anfang Jahr ist in der EU aus der Hausgrille gewonnenes Pulver in Lebensmitteln zugelassen. Auch in der Schweiz ist dieses nun erlaubt.
Somit darf das Insektenpulver nun auch zur Herstellung von gewissen Lebensmitteln verwendet werden, die hierzulande verkauft werden. Die Bewertung habe gezeigt, dass kein Risiko für die menschliche Gesundheit bestehe, schreibt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV.
So kann nun etwa in Guetzli, Teigwaren, Schoggi oder Fertigpizzen Insektenmehl enthalten sein. Dieses muss jedoch korrekt als «teilweise entfettetes Pulver aus Acheta domesticus (Hausgrille)» in der Zutatenliste aufgeführt werden.
Insektenmehl ist ein Allergen. Menschen, die auf Krebs- und Weichtiere sowie gegen Hausstaubmilben allergisch sind, müssen deshalb bei dem proteinreichen Pulver besonders aufpassen.
Verschwörungstheorien um «Ungeziefer-Frass»
Doch auch andere sind vorsichtig geworden: Das Insektenpulver ruft Verschwörungstheoretiker auf den Plan. Sie sehen darin ein neues Gift, das die Welt-Elite der Bevölkerung untermischen will.
«Na Mahlzeit!», schreibt etwa ein Telegram-Nutzer. «Unsere Regierung arbeitet an dem Ungeziefer-Frass für sein Volk schon länger!» Ein anderer wittert hinter Insekten in Lebensmitteln einen vom Weltwirtschaftsforum WEF entwickelten Speiseplan.
Weiter heisst es: Die Menschen würden durch Nahrung, Luft und Wasser krank gemacht, «damit wir ihre Drogen kaufen und uns abhängig machen».
Die Wahrheit aber ist: Kaum jemand setzt das Pulver ein.
Vegetarier verzichten auf Insekten-Produkte
Insekten gelten als Lebensmittel tierischer Herkunft. Die daraus gewonnen Produkte dürfen darum nicht als «vegan» oder «vegetarisch» gekennzeichnet werden.
Deshalb kommen auch bei der Restaurantkette Tibits «weder heute noch zukünftig Insekten auf den Teller oder aufs Buffet». Dies erklärt Marketing-Leiter Amar Abbas gegenüber Nau.ch.
Auch Christian Seeholzer von der Organisation Swissveg, die die Interessen vegan und vegetarisch lebender Menschen vertritt, hält fest, das Vegis solche Produkte nicht essen wollen. Denn: «Auch Insekten sind Lebewesen.»
Den Einsatz von Insekten als Nahrungsmittel sieht Swissveg grundsätzlich kritisch. «Aus ethischer, ökologischer und wirtschaftlicher Sicht macht der Einsatz für uns keinen Sinn», so Seeholzer.
Dank der Kennzeichnungspflicht seien die betreffenden Produkte für die Kundinnen und Kunden einfach zu erkennen. Allerdings könne es beim Offenverkauf von Lebensmitteln problematisch werden. Dies, weil «die Kennzeichnung im Laden unter Umständen nicht einwandfrei funktioniert». Und die Herkunft einzelner Produkte nicht so einfach nachvollziehbar sei.
Migros: «Insekten gehören nicht auf Schweizer Teller»
Ein Blick zu den Grossverteilern zeigt: Es wird viel Wirbel um wenig Pulver gemacht. Die Migros sagt gegenüber Nau.ch, sie verkaufe keine Insekten-Produkte. Früher war das anders: Die Migros hatte 2017 bereits ganze Speiseinsekten im Sortiment.
Denn hierzulande dürfen einige Insektenspezies schon länger zum menschlichen Verzehr in Verkehr gebracht werden, erklärt Migros-Sprecher Tristan Cerf.
Die Insekten-Produkte wurden jedoch inzwischen wieder aus dem Migros-Sortiment genommen. Der Grund: die «praktisch nicht vorhandene Nachfrage nach den ‹Neugierkäufen›». Auch zukünftig sollen keine solchen Produkte angeboten werden.
Sprecher Cerf hält fest: «Insekten gehören definitiv nicht auf den Schweizer Teller.»
Er betont: Es gebe «keinen Grund zur Befürchtung, dass den Konsumentinnen und Konsumenten die oben genannten Insekten unbemerkt untergejubelt würden». Denn selbst wenn ein Produkt eines der neu zugelassenen Insekten enthalten würde, wäre dies auf der Verpackung ersichtlich.
Auch in den Coop-Restaurants und Marché-Restaurants wird kein Insektenmehl verwendet, heisst es auf Anfrage.