«Jahrhundert-Dürre» in der Westschweiz wegen Regenmangel
Seit über drei Monaten regnet es in der Schweiz viel zu wenig. In der Westschweiz sogar so wenig wie noch nie seit dem Messbeginn im Jahr 1864.
Das Wichtigste in Kürze
- Von Mai bis Mitte August erreichte die Regensumme in der Westschweiz nur 42 Prozent der Norm.
- Zudem trieb die anhaltende Wärme oder auch die Hitze die Verdunstung enorm an.
- In der Nordostschweiz war die gleiche Periode letztmals 1949 niederschlagsärmer.
Die Trockenheit hat Europa und die Schweiz fest im Griff. Seit Monaten hat es kaum geregnet, die Wasserpegel sind teilweise extrem tief.
In der Schweiz ist von der Trockenheit besonders die Westschweiz betroffen, wie Stephan Bader, Abteilung Klima von «Meteoschweiz», auf Anfrage erklärt. «Hier erreichte die Regensumme vom 1. Mai bis zum 14. August nur gerade 42 Prozent der Norm 1991 bis 2020. Das ist bei Weitem die geringste Niederschlagsmenge für diese Periode seit Messbeginn 1864», sagt Bader.
In allen anderen Jahren mit sehr niederschlagsarmen Perioden habe es Mengen um 60 Prozent der Norm gegeben. «Die Schweiz erlebte den zweitwärmsten Mai, den zweitwärmsten Juni und den viertwärmsten Juli seit Messbeginn 1864.»
«Die anhaltende Wärme oder auch Hitze trieb die Verdunstung enorm an. Zusammen mit den rekordtiefen Niederschlagsmengen ist es also durchaus gerechtfertigt, in der Westschweiz von einer Jahrhundert-Dürre zu sprechen», hält Bader fest.
Auch andere Landesteile trocken wie lange nicht mehr
Auch in anderen Landesteilen war es schon lange nicht mehr so trocken: «In der Nordostschweiz war die Periode vom 1. Mai bis am 14. August letztmals 1949 niederschlagsärmer.»
Auf der Alpensüdseite sei es in diesem Zeitraum letztmals 1962 ebenso regenarm gewesen. In Nord- und Mittelbünden sei es 2018 hingegen trockener gewesen als aktuell.
In Europa sind «die Ereignisse in diesem Jahr mittlerweile in mehreren Regionen ausgeprägter als 2003 und 2018 – und beide sind als Jahrhundert-Dürren bezeichnet worden.» Das sagt Sonia Seneviratne vom Institut für Klima und Atmosphäre der ETH Zürich auf Anfrage. «Wir sehen also, diese ‹Jahrhundert-Ereignisse› nehmen rasant zu.»
Regenmenge von fast zwei Monaten fehlt
In den ausgeprägten Trockensommern 2015 und 2018 habe sich laut Bader in der Schweiz die Wasserbilanz regional erst gegen Jahresende oder sogar erst im Folgejahr normalisiert. «In der Westschweiz fehlt momentan die Regenmenge von fast zwei normalen Sommermonaten.» Es benötige also einige überdurchschnittliche Monate, um das Defizit wieder auszugleichen.
«Wenn es weiterhin sehr wenig Niederschlag gibt, könnten sich die Wasserstände, das Grundwasser und die Bodenfeuchte nicht erholen», erläutert Seneviratne. Man würde in diesem Fall auch im Frühling noch Wasserdefizite haben, was die Wahrscheinlichkeit von Dürren im nächsten Sommer erhöhen würde. «Man hätte also das Risiko einer mehrjährigen Dürre, ähnlich wie das in den letzten Jahren in Kalifornien stattgefunden hat.»
Mit der zunehmenden Erwärmung steige sowohl das Risiko von Extremereignissen wie Hitzewellen und Trockenheit, aber auch dasjenige von Starkniederschlägen, die zu Überflutungen führen könnten. «‹Normale Sommer› – wie wir diese aus dem 20. Jahrhundert kennen – werden wir immer weniger erleben.»
Laut Bader könnte die Niederschlagsmenge in den Sommermonaten langfristig abnehmen. Generell wären Gebiete im Westen und Süden der Schweiz stärker davon betroffen als solche im Osten. «Gegen Ende des Jahrhunderts könnte eine Trockenheit, wie sie bisher ein bis zwei Mal in zehn Jahren auftrat, jedes zweite Jahr vorkommen», erläutert Bader.