Junge ersetzen die Google-Suche immer öfter mit ChatGPT
Googeln scheint immer mehr an Bedeutung zu verlieren. Teenies benutzen heutzutage sogar ChatGPT für die Suche nach ÖV-Verbindungen.
Das Wichtigste in Kürze
- Google als Suchmaschine scheint wegen ChatGPT immer mehr an Bedeutung zu verlieren.
- Laut einem KI-Experten sehe Google ChatGPT deswegen auch als existenzielle Bedrohung.
- Dadurch würde man aber nicht mehr lernen, verschiedene Antworten zu vergleichen.
Jahrelang war es der normalste Satz in einer Unterhaltung. «Warte, ich google das schnell.» Ist man nicht mehr sicher, wie die Hauptstadt von Kenia heisst, ob morgen die Sonne scheint oder wie alt Donald Trump ist: Die Suchmaschine ist nur einen Griff zum Handy entfernt.
Redet man heutzutage aber mit Teenagern, tönt es immer häufiger so: «Ich frag schnell ChatGPT.»
So auch beim 16-jährige Arno* aus Zürich. Er lässt von der künstlichen Intelligenz nicht nur einfache Fragen beantworten, sondern sich auch Dinge wie die schnellste ÖV-Verbindung nach Hause präsentieren. «Meistens stimmt die Antwort», sagt er zufrieden.
Da seine Eltern ihm die Bezahlversion für 20 Franken im Monat finanzieren, muss er im Gymnasium auch kaum noch Bücher lesen. «Die lasse ich mir lieber kurz zusammenfassen», sagt er. So könne er effizienter für Prüfungen lernen. «Dann bleibt mehr Zeit für Mathematik oder Chemie.»
«Internet viel effizienter genutzt»
Auch eine Umfrage auf den Strassen von Zürich zeigt, dass Google nicht mehr überall die erste Anlaufstelle ist. «Als ehemaliger Informatiker benutze ich ChatGPT», sagt etwa Joel. «Es nimmt einem schon viel Arbeit weg. Es ist wie eine grosse Zusammenfassung, die es einem selber sucht.»
ChatGPT sammle alle Informationen von mehreren Plattformen zusammen, lobt auch Jules die künstliche Intelligenz (KI). «Du musst nicht mehr auf jede einzelne Internetseite nachschauen gehen. Es ist einfach: Das Internet wird viel effizienter genutzt.»
ChatGPT habe schon am Anfang für einen Rückgang bei der Nutzung von Google gesorgt, erklärt KI-Experte Mike Schwede auf Anfrage. Das sei nicht nur bei Teenies oder Jungen der Fall gewesen.
Google sieht ChatGPT als existenzielle Bedrohung an
Der Suchmaschinen-Gigant hat gehandelt. «Deswegen hat Google jetzt bei der eigenen KI ‹Gemini› extrem Gas gegeben.» Weil das Unternehmen ChatGPT und andere KI als existenzielle Bedrohung ansehe.
Doch das Benutzen von ChatGPT habe gegenüber der Nutzung von Suchmaschinen wie Google auch Nachteile, betont Schwede: «Teenies lernen nicht mehr zu suchen, verschiedene Antworten zu vergleichen und vielleicht auch quellenkritisch zu hinterfragen.»
Ausserdem sehe man bei ChatGPT nicht, von welcher Quelle welche Aussagen stammen.
Dennoch relativiert Schwede die Fake-News-Gefahr für die Jungen. Denn grundsätzlich seien diejenigen, die am meisten Fake News teilen oder auf Scam-Maschen reinfallen, die älteren Generationen. Also jene, die nicht mit den aktuellen Techniken aufgewachsen seien. «Sie glauben eher etwas, das sie einfach im Internet lesen», sagt Schwede.
Gefahr der emotionalen Bindung wegen Voice-Möglichkeiten
Eine potenzielle Gefahr sieht er in den Voice-Möglichkeit von ChatGPT, die sehr natürliche Gespräche ermögliche. Man habe festgestellt, dass gewisse Leute durch die Stimme eine emotionale Bindung zur KI entwickeln.
«Wenn man zu etwas eine emotionale Bindung herstellt, ist man natürlich weniger kritisch. ChatGPT arbeitet gerade daran, dass die Stimme zwar sehr natürlich klingt. Aber auch daran, dass man jederzeit weiss, dass ein Computer dahintersteckt und es weiterhin als Tool und nicht als Mensch ansieht.»
KI-Tools würden regelmässig sogenannte Performance-Tests durchführen. Gerade ChatGPT oder Gemini würden da eigentlich recht gut abschneiden. «Anhand dieser Tests kann man beurteilen, wie viel eine KI halluziniert.»
Grosses Fachwissen auch bei ChatGPT wichtig
Dennoch sei ein eigenes grosses Fachwissen immer noch extrem wichtig. «Man kann auch nicht blind einem Mitarbeiter oder einem Berater vertrauen.»
Mit dem Einsatz von ChatGPT an Schulen und Unis müsse man lernen, seine Arbeit kritisch zu hinterfragen, warnt Schwede. Und auch besser zu werden als das KI-Tool. Denn in Zukunft werde man sich als Mitarbeiter immer mehr beweisen müssen. Und zeigen, was für einen Mehrwert man mitbringe, den man nicht auch von ChatGPT erhalte.
«Für junge Menschen ist es ein wichtiger Prozess, herauszufinden, wie sie das integrieren und besser werden. Dazu gehört auch die kritische Nutzung eines solchen Tools», erklärt Schwede.
* Name der Redaktion bekannt.