Klima-Voegtli erklärt: Darum nerven wir jetzt «normale Menschen»
Was haben das Sechseläuten und der Zürich Marathon mit dem Klimawandel zu tun? Klimaaktivist Max Voegtli erklärt seinen Protest. Der Ärger ist vorprogrammiert.
Das Wichtigste in Kürze
- Schweizer Klimaaktivisten weiten ihren Protest aus.
- Damit machen sie viele hässig.
- Jetzt spricht der wohl bekannteste Klimaaktivist Max Voegtli.
Die Klimabewegung ist für ihre Strassenblockaden berühmt und berüchtigt. Während diese früher vor allem den Berufsverkehr störten, treffen die Blockaden nun andere.
Letzte Woche kam es gleich zu zwei Aktionen in Zürich: Erst störten Aktivistinnen und Aktivisten von «Drop Fossil Subsidies» den traditionellen Umzug am Sechseläuten.
Und auch beim Zürich Marathon am Sonntag gab es eine kurze Blockade vor dem Start. Inklusive Ausleeren einer schwarzen Flüssigkeit.
Grosses Unverständnis für Aktionen
Die Aktionen sorgen für Unmut. «Warum wollen die Klimaaktivisten den Menschen alle Vergnügen nehmen?», echauffiert sich ein Nau.ch-Leser in der Kommentarspalte.
Ein zweiter spottet: «Marathonläufer sind bekanntlich die grössten Umweltverschmutzer.» Und ein Dritter kommentiert ironisch: «Einfach nur noch peinlich diese Truppe. Der Züri-Marathon ist die brutale CO2-Produktion, weil die Läufer so viel Sauerstoff verbrauchen.»
Sind die jüngsten Proteste etwa nur ein letztes Aufbäumen der Klimabewegung?
Jetzt spricht der wohl bekannteste Klimaaktivist der Schweiz bei Nau.ch. Max Voegtli, der nach der Störaktion während des Sechseläuten-Umzugs zwei Tage im Gefängnis verbringen musste, bestätigt: «Wir haben den Protest erweitert. Es ist nun wichtig, auch den Alltag von normalen Menschen zu stören, um das Bewusstsein zu schärfen.»
Denn: «Wir laufen blindlings in eine Klimakatastrophe. Auf alle Dinge, die wir heute noch geniessen können, müssen wir in Zukunft verzichten, wenn wir jetzt nicht handeln.» Auch ein Marathon sei bei einem Temperaturanstieg von drei Grad nicht mehr möglich, glaubt Voegtli.
Klimaaktivist fühlt sich durch Strassburg-Entscheid bestätigt
Gegen die Läuferinnen und Läufer habe er generell nichts. «So haben wir auch bewusst vor dem Start protestiert, um niemanden zu verletzen», so Voegtli. «Es geht darum, jede Bühne zu nutzen, um ein neues Publikum zu erreichen.»
Die Kernaufgabe der Klimabewegung sei es, die Menschen zu mobilisieren, damit diese dann Druck auf die Politik ausüben. «Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bestätigt, dass zu wenig gemacht wird.»
Er fordert: Als erste Massnahme soll der Bund alle fossilen Subventionen stoppen und «stattdessen Bürgerinnen und Bürger in einer Klimakrise unterstützen».
Ihm sei bewusst, dass die Aktionen zu Unstimmigkeiten führten. «Die Leute sollen kommentieren, egal ob positiv oder negativ», sagt Voegtli. «Es ist wichtig, dass uns zugehört wird.» Deshalb sei auch eine Wiederholung des Protests zentral.
Störaktion auch bei Böögg-Verbrennung in Appenzell-Ausserrhoden?
Eine nächste Gelegenheit böte sich am 22. Juni in Heiden AR. Dort soll die Verbrennung des Bööggs nachgeholt werden, nachdem dieser am Sechseläuten nicht verbrannt werden konnte.
Dass es auch dort zu einer Protestaktion kommen könnte, will Voegtli nicht bestätigen. Aber: «Wir schliessen das nicht aus.»
Und er kündigt an: «Solange die Regierung nicht auf unsere Forderungen eingeht, wird der Protest weitergehen – und eskalieren.» Die Aktionen sollen aber dennoch friedlich bleiben, betont er.
Und auch die ländliche Bevölkerung soll miteinbezogen werden. «Schliesslich werden die Bäuerinnen und Bauern die Auswirkungen des Klimawandels als Erste spüren», so Voegtli.
Protestforscher erklärt Wandel des Klimaprotests
Protestforscher Dieter Rucht hat sich intensiv mit der Klimabewegung in Deutschland beschäftigt. Auch die dortigen Aktivistinnen und Aktivisten der «Letzten Generation» verzichten sogar ganz auf Strassenblockaden.
Gegenüber Nau.ch erklärt er: «Die ‹neuen› Aktionen sind Ausdruck der relativen Folgenlosigkeit der bisher gewählten Protestformen.»
Die Aktivistinnen und Aktivisten folgen dabei dem Prinzip «Versuch und Irrtum». Der Forscher erklärt: «Man probiert aus, wofür man Aktivistinnen und Aktivisten gewinnen und welche Resonanzen man erzeugen kann. Klappt das nicht, versucht man etwas anderes.»