Konservativismus entscheidend für die Demokratie
Seine These: Für Gesellschaften auf ihrem Weg zur demokratischen Staatsform waren zwei Faktoren bestimmend. Erstens sind die konservativen Kräfte – also Adelige, Grossgrundbesitzer, vermögende Eliten – entscheidender als die demokratischen Kräfte. Der Zustand und das Verhalten der Gegner der Demokratie waren für den Demokratisierungsprozess prägender.
Das Wichtigste in Kürze
- Gemäss einer Harvard-Studie prägt der Zustand konservativer Parteien die demokratische Entwicklung eines Landes.
- Dies erklärt demzufolge den weltweiten Erfolg rechts-populistischer Kräfte, etwa in den USA, Frankreich oder UK.
- Auch in der Schweiz lassen sich derartige Zusammenhänge beobachten.
Daniel Ziblatt, 45, Professor für vergleichende Regierungslehre an der Harvard Universität, veröffentlichte eine Studie von aktueller Brisanz. In der Untersuchung analysiert Ziblatt die Entstehung der modernen Demokratie zwischen 1850 und 1950. Und welche Rolle konservativen Parteien dabei spielten.
Konservative Kräfte als entscheidender Faktor
Zweitens ist der Zustand der politischen Parteien entscheidender, als die staatlichen Institutionen. Ob ein Land in ein autoritäres System abdriftet oder sich demokratisiert ist abhängig davon, wie gut allen voran die konservativen Parteien organisiert und aufgestellt sind. Wirtschaftskrisen, konfessionelle Konflikte, soziale Bewegungen oder der Kommunismus waren für europäische Demokratien weniger prägend, so die Analyse Ziblatts.
Konsequenzen für die Gegenwart
Demokratien waren also auf eine lange Tradition gut organisierter und pragmatischer konservativer Parteien angewiesen. Der Harvard-Historiker verlängert nun seine These in einem Interview bis in die Gegenwart: Wo die Konservativen mit den Populisten gemeinsame Sache machen, dort steigen die Populisten auf – Frankreich, USA, Grossbritannien, Australien.
Daniel Ziblatt führt also den weltweiten Aufwind des Rechtspopulismus nicht auf die Schwäche der Linken, sondern auf das Versagen der Konservativen zurück: «Ein Bestimmungsfaktor dafür, wie erfolgreich der Rechtspopulismus ist, liegt darin, wie die gemässigten rechten Parteien auf ihn reagieren.» Je schwächer die Konservativen, desto wahrscheinlicher geht er Deals mit ideologischen Extremen ein.
Mechanismus auch in der Schweiz
Auch in der Schweiz befinden sich die bürgerlich-konservativen Traditionsparteien CVP und FDP, die in der Schweiz die gesellschaftlichen Eliten vertraten, seit Jahrzehnten in einem Abwärtstrend. Ihre Dauerkrise förderte den Aufstieg der rechtspopulistischen SVP.
In der Konsequenz nimmt die politische Stabilität der Schweiz ab, stellt die «Republik» fest. Blockaden und Orientierungslosigkeit würden die politischen Debatten um Rentenreform, Steuerreform oder die EU-Frage bestimmen. Folgt man der These Ziblatts, liegt das Problem dafür in der Schwäche der bürgerlich-konservativen Mitteparteien.