Krankenkassen lassen bei unzugelassenen Krebsmedis Willkür walten
Das Wichtigste in Kürze
- Rund ein Drittel aller schweizweit verschriebenen Krebsmedikamente sind nicht zugelassen.
- Die Entscheidungsbasis der Krankenkassen sei willkürlich, sagt das Unispital Basel.
- Die Versicherungsärzte zeigen Verständnis, halten aber dagegen.
Ein Team des Universitätsspitals Basel hat analysiert, auf welcher Basis Krankenkassen die Behandlung mit nicht zugelassenen Krebsmedikamenten übernehmen. Das Fazit: Es gibt keine.
In der Schweiz ist Krebs die häufigste Ursache für vorzeitige Sterblichkeit. Mehr als einer von fünf Menschen erkrankt hier bereits vor seinem 70. Lebensjahr an Krebs, wie aus den Statistiken des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) hervorgeht. Insgesamt ist Krebs die zweithäufigste Todesursache der Schweizer.
Dementsprechend gross ist der Andrang von Krebspatienten bei den Krankenkassen. Doch Krebs ist etwas sehr individuelles. Weil es so viele verschiedene Arten von Krebs gibt, und verschiedene Leute unterschiedlich auf Medikament ansprechen, erscheint die Auswahl an Krebsmedikamenten auf dem Markt endlos.
Verhandlungen dauern zu lange für Patienten
Während die Pharmaindustrie stetig neue Medikamente herausbringt, kommt das BAG nicht nach, mit den Herstellern einen Preis auszuhandeln und die Medikamente offiziell zuzulassen. Dies führt dazu, dass rund ein Drittel aller hier verschriebenen Krebs-Medikamente «off-label» sind. Sie sind nicht offiziell zugelassen, werden aber eingesetzt weil sie dem Patienten helfen und die Zeit fehlt, auf das BAG zu warten.
Doch die Krankenkassen zahlen rund einen Drittel dieser Off-Label-Medikamente nicht, wie «SRF» berichtet. Benjamin Kasenda, Onkologe am Unispital Basel, hat mit seinem Team daraufhin tausende Patientenakten der grossen Krebsbehandlungszentren zwischen 2015 und 2018 durchgearbeitet. Sie wollten herausfinden, auf welcher Basis die Krankenkassen ihre Entscheidungen treffen.
Nicht standardisiert
Das Ergebnis deutet auf Willkür hin. Im «Puls» erklärt Kasenda: «Momentan ist es offenbar so, dass die Krankenkassen ihre eigenen Kriterien haben, auf deren Basis sie entscheiden ob sie bezahlen oder nicht. Es ist nicht standartisiert.»
Sogar Gesuche von Patienten in der gleichen Krankheitssituation werden von den Kassen unterschiedlich beurteilt. Auch wenn Fälle vergleichbar sind und zur gleichen Antwort führen sollten. Sogar innerhalb derselben Krankenkassen kann es zu unterschiedlichen Entscheidungen bei vergleichbarer Sachlage kommen.
Versicherungsärzte verteidigen sich
Ursula Schafroth ist Präsidentin der Gesellschaft von Vertrauens- und Versicherungsärzte Schweiz. Im «Puls» zeigt sie Verständnis: «Diese Ergebnisse sind sicher stossend. Wir haben diese Problematik schon seit längerem erkannt und arbeiten darum seit August 2018 mit einem neuen Instrument, dem OLU-Tool.»
Für Schafroth ist aber klar: «Die gleiche Krankheitssituation kommt nicht zweimal vor. Wir brauchen darum erst eine neue Studie, um den Effekt des OLU-Tools einstufen zu können.» Ein solcher Bericht sei beim BAG in Arbeit.