Lehrplan 21 streicht christliche Weihnacht aus Schulen
An zahlreichen Schweizer Schulen wird dieser Tage Weihnachten gefeiert. Der Lehrplan 21 sieht dafür aber eigentlich keinen Platz vor. Ein pädagogisches Dilemma.
Das Wichtigste in Kürze
- Dieser Tage wird in vielen Schulen Weihnachten gefeiert.
- Der Lehrplan 21 schreibt Schulen aber eigentlich vor, Religion nicht zu integrieren.
Weihnachten ist in den meisten Schweizer Schulhäusern diese Tage allgegenwärtig: An den Fenstern hängen Sterne, im Gang steht ein geschmückter Tannenbaum oder ein Krippenspiel und aus dem Musik-Zimmer schmettert es «Oh du fröhliche».
In der Bundesverfassung ist aber festgelegt, dass in der obligatorischen Schule Glaubens- und Gewissensfreiheit herrscht. Der seit Sommer nun überall eingeführte Lehrplan 21 ist dementsprechend säkular konzipiert. Er ist konfessions- und religionsneutral und sieht darum eigentlich keinen Raum für christliche Feierlichkeiten vor.
Mit der Feier zur Geburt Jesu trifft so eine heftige Portion Christentum auf ein multikulturelles Schulsystem, welches es jeder Glaubensrichtung recht machen will. Wie viel Religion in unserem Bildungssystem noch in Weihnachten stecken darf, entwickelt sich so zum undankbaren Drahtseilakt für die Schulen.
«Bildung Schweiz», das Magazin des Schweizer Lehrerdachverbandes, versucht in der aktuellen Ausgabe diesen Mittelweg zu finden.
«Weihnachtsfeiern mit Bezug zum Christentum abschaffen»
Weihnachten zu feiern ohne Religionsbezug scheint eigentlich unmöglich. Wenn man aus einem Weihnachtslied oder Weihnachtsfest ein «Winterlied» und ein «Lichterfest» macht, raubt man dem Feiertag den Ursprung und somit die Identität. Ausserdem sind die Bildungsziele unseres Schulsystems stark von der christlich-abendländischen Kultur beeinflusst.
Religionswissenschaftlerin Petra Bleisch bilanziert im Magazin darum ein pädagogisches Dilemma. «Wird der Religionsbezug aus den Weihnachtsfeiern gestrichen, ist zu fragen, warum diese dann noch als ‹Weihnachtsfeiern› durchgeführt werden. Wird der Religionsbezug beibehalten und die Dispensmöglichkeit beachtet, so wird ein Teil der Lernenden ausgegrenzt.»
«Die Berücksichtigung der Neutralität der Schule würde entweder dazu verpflichten, Weihnachtsfeiern mit Bezug zum Christentum abzuschaffen», so Bleisch. Oder aber auch andere Feiern aus anderen religiösen Traditionen mit in den Schulkalender aufzunehmen.
«Weihnachten ist mehr als nur Geschenke und Tannenbäume»
Dagmar Rösler sieht das nicht ganz so eng. «Es ist wichtig, dass man den Kindern erklärt, weshalb Christen Weihnachten feiern, und dass dahinter mehr steckt als nur Geschenke und Tannenbäume» findet die oberste Lehrerin der Schweiz. Wo also die Grenze ziehen?
Ihr Vorgänger Beat Zemp hatte sich 2018 noch in die Nesseln gesetzt, als ihm vorgeworfen wurde, er wolle Adventskränze und Christbäume auf Druck muslimischer Eltern aus den Klassenzimmern verbannen. Zemp bestreitet diese Darstellung heute.
«Weihnachtslieder zu singen oder an einem Krippenspiel teilzunehmen, gilt nicht als religiöser – das heisst bekenntnishafter – Akt, solange dies nicht in einem Übermass geschieht und damit keine Bekehrung beabsichtigt wird», erklärt Rechtsanwalt Michael Merker. Wann die Grenze zum «Bekehren» überschritten wird, ist schwierig einzuordnen.
Schulen reagieren gelassen
Weil der Lehrplan 21 das Zelebrieren der Religion zur Weihnachtszeit nicht vorsieht, muss jede Schule einen eigenen Umgang mit der Thematik finden. Die Volksschulen reagieren aber gelassen. Aus Bern und Zürich heisst es, dass die Religionsfreiheit an Schulen seit Jahren ein Dauerthema sei, mit dessen Umgang man mittlerweile gut geübt sei. Mehr Probleme hätte früher beispielsweise der Schwimmunterricht gemacht.
Grundsätzlich können Kinder vom Unterricht dispensiert werden, wenn dadurch ihre Religionsfreiheit betroffen wird. Verschiedene Volksschulämter geben auf Anfrage aber an, dass bei religiös motivierten Dispensationsgesuchen erstmal alle Parteien an den runden Tisch geholt würden. So hätte noch jedes Mal eine Einigung erzielt werden können.