«Lüt uf Fotene» - Songperlen ohne Happy End
Es wird ein bisschen Frühling draussen und Stahlberger gehen auf Tauchstation. Themen wie Rückzug, Resignation und Auflösung durchziehen das fünfte Album der Ostschweizer Mundartband. «Lüt uf Fotene» erscheint am 11. März.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Kartenhaus fällt in sich zusammen: Im März 2020 werden pandemiebedingt sämtliche Konzerte sowie die Solo- und Nebenprojekte der fünf Bandmitglieder gestrichen.
Die Terminkalender sind leer, die Musiker haben plötzlich jede Menge Zeit.
«Die Band trifft sich zu langen Sessions - es wird gejammt, experimentiert, arrangiert, komponiert und ein Song nach dem anderen eingekreist», heisst es im Pressetext. Im Sommer 2021 werden die Stücke in St. Gallen im Studio von Gitarrist und Keyborder Michael Gallusser eingespielt.
Regie beim neuen Stahlberger-Album führt Olaf Opal, bekannt als Produzent von The Notwist oder Die Sterne. Er schlägt in seiner Arbeit hörbar die Brücke zwischen Indie und Pop.
Die fünf Musiker geben der Platte ganz verschiedene Richtungen - je nach Vorbildern und Vorlieben. Seit 2014 tourt Michael Gallusser zusammen mit Schlagzeuger Dominik Kesseli. Der internationale Durchbruch von Lord Kesseli & the Drums fiel wegen Corona ins Wasser.
Mit dem Titeltrack «Lüt uf Fotene» steigt die Band mantrahaft ein, der Sound steigt an wie eine gewaltige Welle. Leute auf verschwommenen Fotos laufen aus dem Bild und gehören irgendwie gar nicht dazu. Die Soundschleifen und Wortbilder wiederholen sich. In den verdichteten Songs tauchen immer wieder Freaks und komische Gestalten auf.
Im Untergrund hocken und nicht recht wissen was tun, durchzieht die Songtexte wie ein roter Faden - auch bei «Drifte». «Gebore zum wild si, gebore zum wild si, aber denn, aber denn ... gmütlichi Plän, gmütlichi Troim, gmütlichi Gschicht... gmütlichi Flucht, gmütlich degege, gmütlich defür, gmütlich allei...und scho wieder en Tag gschafft.... und i drift».
Auf die Band ist Verlass. Auch auf dem fünften Album ploppt wieder der eine oder andere Hit auf, wie Schneeglöckchen aus dem harten Winterboden. «Hei zu dir» ist eine solche Perle. Der St. Galler Filmemacher Lasse Linder («Der Katzenmann») lässt im Video zur Single einsame Menschen im Sonnenstudio oder in der Sauna nach Wärme suchen.
«I han en Mantel treit, wo mi unsichtbar macht, aber du häsch mit gseh», singt Manuel Stahlberger. Der Sänger und Texter spannt ein dichtes Netz aus Melancholie, Endzeitstimmung und Galgenhumor. Sein Wortwitz ist nie plump, der poppige Sound fast immer tanzbar.
Als «vielleicht bester Schweizer Songtexter» (SRF 3) gelobt, werden die Mundart-Songs von Stahlberger trotzdem kaum von den Radiostationen entdeckt und meist nur nachts oder zu Randzeiten gespielt. Vielleicht liegt es daran, dass es in den Liedern kein Happy End gibt und dass Widersprüche stehen bleiben.
«Wuet und Küss hani abegschluckt», singt der Liedermacher, der auch solo erfolgreich ist. Für sein neustes Programm «Eigener Schatten» hat er sich mit Bandkollege Marcel Gschwend alias Bit-Tuner, der die Beats und Bässe liefert, zusammengetan. In der Schweizer Clubszene ist er eine feste Grösse.
Gschwends Basslinien dürfen auch bei der Band nicht fehlen. Im letzten Song «D Welt macht zue» trifft sein knurrender Bass auf flirrende Synthesizer und den traurigen Erzählton des Sängers. Alles muss raus. Menschen und Tiere gibt es umsonst.
Mitte April wird «Lüt uf Fotene» im St. Galler Kulturlokal Palace zweimal getauft.