Mobbing – Expertin: Kinder werden immer «gewalttätiger»
In der Schweiz sind so viele Kinder von Mobbing betroffen, wie in keinem anderen europäischen Land. Zuletzt wurden die Täter «gewalttätiger», so eine Expertin.
Das Wichtigste in Kürze
- Seit Jahren nimmt Mobbing in der Schweiz zu.
- Einer Expertin zufolge sind die Kinder zudem gewalttätiger geworden.
- Es gebe sogar Schüler, die mit dem Messer zur Schule gingen.
Seit dem ersten Schultag wird der Basler Schüler Leon* (12) von Jungs aus seiner Schule bedroht und gemobbt. Bei einer Attacke – ein Mitschüler schlägt ihm mit einem Pingpongschläger ins Gesicht – erleidet er eine Gehirnerschütterung. Ausserdem muss eine 1,5 Zentimeter tiefe Wunde an seiner Stirn genäht werden.
«Ich gehe nicht gerne in die Schule. Jeden Morgen denke ich: Wer hat wohl heute ein Problem mit mir?», sagt er gegenüber der «Sonntagszeitung». Nach dem Vorfall hat die Mutter genug – sie meldet sich bei der Schulleitung.
Doch dort heisst es: Der Vorfall habe sich eine halbe Stunde nach Schulschluss ereignet und sei deshalb nicht mehr in der Verantwortung der Schule. Weiter heisst es vom Schulleiter, sei es unmöglich, dass Kinder nicht aneinandergeraten.
Kein Einzelfall: Jedes zehnte Kind in der Schweiz wird Opfer von Mobbing im Laufe seiner Schulzeit, zeigt eine Pisa-Studie. In keinem anderen europäischen Land ist der Wert höher. Obwohl Schulen versuchen, dagegen anzukämpfen, steigen die Zahlen immer mehr an.
Mobbing «wurde definitiv gewalttätiger»
Die Gründe? Das Thema Mobbing sei vielen zu heikel, meint Bettina Dénvervaud, Leiterin der Fachstelle «Hilfe bei Mobbing» gegenüber der «SonntagsZeitung». «Wir haben heute teilweise Kinder, die mit einem Messer in die Schule gehen – es wurde definitiv gewalttätiger.»
Die Ursachen sieht sie unter anderem darin, dass Jugendliche Zugang zu Medien haben, die nicht für sie bestimmt sind. Ausserdem sei der Einfluss der Eltern enorm gross.
«Ich habe schon Väter erlebt, die sich vor ihren Kindern prügelten», erzählt Dénervaud. «Welches Bild vermitteln wir unseren Kindern damit?»
Thema besser im Unterricht thematisieren
Doch meistens spiele sich Mobbing an der Schule ab. Das Thema müsse im Unterricht besser thematisiert werden, fordert die Expertin. «Wir sehen leider immer wieder Schulpsychologen und Lehrpersonen, die mit Mobbing komplett überfordert sind.»
Betroffenen Eltern rät sie, immer ein offenes Ohr für ihr Kind zu haben. Bei Problemen solle man am besten Hilfe bei einer Beratungsstelle suchen.
Ausserdem sei es wichtig, mit den Lehrpersonen Kontakt aufzunehmen. Man sollte aber kein «vorwurfsvolles» Gespräch führen.
*Name geändert