Nach Todesfall: SBB muss wohl über 40'000 Franken bezahlen
Anfang August verunglückte in Baden AG ein Zugbegleiter tödlich. Er wurde von einer Tür eingeklemmt. Muss die SBB nun finanziell dafür geradestehen?
Das Wichtigste in Kürze
- Am 4. August verunglückte ein Zugbegleiter der SBB tödlich.
- Der Mann wurde von einer Tür eingeklemmt und mitgerissen. Es gibt aber auch weitere Fälle.
- Jetzt werden Forderungen nach Schadensersatz laut. Ab wann besteht Anspruch auf solche?
Anfang August kam es im Baden AG zu einem tragischen Arbeitsunfall. Ein Zugbegleiter der SBB wurde von einer Tür eingeklemmt und mitgerissen. Der Mann überlebte den Vorfall nicht.
Gestern gab die SBB bekannt: Seit 2014 habe es fast 90 Fälle gegeben, bei denen Reisende eingeklemmt wurden, zwei davon wurden schwer verletzt. Auch Mitarbeiter wurden eingeklemmt, seit 2016 waren es zehn.
Die Menschen reagieren auf den Fall besonders emotional. Nau-Leser gehen gar soweit, dass sie für die Familie des Getöteten Schadensersatz fordern. Doch in welchen Fällen hat man Anspruch auf Entschädigung?
Hat Opfer überlebt oder nicht?
«Man muss grundsätzlich unterscheiden, ob die Person beim Unfall gestorben ist oder verletzt wurde und allenfalls lebenslange Schäden mit sich trägt», sagt Haftpflichtanwalt Peter Kaufmann. Zuerst müsse aber abgeklärt werden, wer die Haftung für den Fall übernehme. «Im vorliegenden Beispiel müsste diese die SBB übernehmen», so Kaufmann.
Tatsache sei: In jedem Schadensfall müssten die Hinterbliebenen schadlos gehalten werden. «Auf jeden Fall muss die SBB hier für die Bestattungskosten aufkommen», so der Haftpflicht-Experte. Ob zu Lasten der Hinterbliebenen weiterer Schaden aus dem Wegfall des Einkommens entstehe, müsse konkret abgeklärt werden.
Bei Tod oder Körperverletzung entsteht Anspruch auf Genugtuung
Komme es nach einem Unfall für die Familie des Opfers zu finanziellen Einbussen, wenn zum Beispiel ein Einkommen wegfalle, müsse dieses durch die Haftpflicht ersetzt werden. Daneben müsse eine Genugtuung, sprich Schmerzensgeld bezahlt werden.
«Die Höhe hängt immer von der konkreten Situation ab. Die Dauer wie auch die Intensität einer Beziehung spielt eine grosse Rolle», so Kaufmann. «Im vorliegenden Fall gehe ich von rund 40'000 bis 45'000 Franken Genugtuung aus, die die SBB hier an die hinterbliebene Ehefrau zu zahlen hat. Dazu kommt ein Schadensersatz.»
Auch bei Invalidität wird Schmerzensgeld bezahlt
Anders zeige sich die Situation, wenn ein Verunfallter zwar überlebe, aber bleibende gesundheitliche Schäden davontrage. Die Höhe der Genugtuung hänge vom Ausmass des Gesundheitsschadens ab.
Falls der Verunfallte aber nicht mehr voll arbeiten könne, müsse der Haftende unter anderem auch für den Lohnausfall aufkommen.
Kaufmann gibt ein Beispiel: «Verdiente der Zugbegleiter zum Beispiel 90'000 Franken pro Jahr und könnte nach seinem Unfall nur noch 50 Prozent arbeiten, müssten auch die anderen 50 Prozent abgesichert werden.» 45'000 Franken müssten also durch IV, Pensionskasse und Unfallversicherung gedeckt werden. Reichten diese Beträge nicht aus, um die fehlenden 50 Prozent abzudecken, müsste die Haftpflichtversicherung der SBB für den Schaden aufkommen.
Keine Familie, keine Ansprüche
Anders zeige sich die Situation laut Kaufmann, wenn ein Opfer keine Familie (mehr) habe. Dann nämlich müsse die Haftpflichtversicherung nichts bezahlen – mit Ausnahme der Bestattungskosten. Eine Genugtuung falle damit weg.