Nach Unwettern: Kläranlagen leiten Abwasser ungefiltert in Gewässer
Immer wieder gelangt bei Regen ungefiltertes Abwasser in Gewässer. Das Problem tritt gerade nach Unwettern öfters auf.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweiz hat rund 750 Kläranlagen – die alle nach dem gleichen Prinzip funktionieren.
- Das System wird bei starkem Regen schnell überfordert, was zu Problemen führt.
Die rund 750 Abwasserreinigungsanlagen (ARA) in der Schweiz spielen eine entscheidende Rolle im Schutz unserer Gewässer. Sie sorgen dafür, dass unser Abwasser gereinigt wird – und somit sicher für Mensch und Natur ist.
Eine dieser Anlagen ist die ARA Buholz in Emmen LU. Das System ist für die Stadt Luzern und die umliegenden Gemeinden zuständig. Es ist für über 180'000 Menschen zuständig.
Diese Abwasser kann die Kläranlage gut bewältigen. Sogar die doppelte Menge wäre machbar. Allerdings: nur bei gutem Wetter. Regnet es stark, wird es problematisch.
In solchen Fällen ist die ARA Buholz «gezwungen», Abwasser in die Reuss zu leiten, sagt Leiter Alexander Kleiner. «Etwa 100 Mal im Jahr. Insgesamt rund 300 Stunden.»
Nicht nur ein lokales Problem
Ähnlich sieht die Situation aber auch in anderen Teilen des Landes aus. Denn die Kanalisationssysteme sind so konzipiert, dass sie bei Unwetter mehr und verdünntes Abwasser klären müssen. Weil das Regenwasser zusammen mit dem Abwasser aus Haushalten und Industrie abfliesst. Dieser Prozess führt dann zur Überforderung des Systems.
In Emmen LU wird daher aktuell ein Auffangbecken gebaut. «Abwasser wird dann weniger häufig in die Reuss fliessen», so Kleiner.
Allerdings ist die dadurch entstehende Entschärfung gering. Will man das Problem ganz lösen, müsste das System grundlegend verändert werden. Eben so, dass Regenwasser und Abwasser nicht mehr zusammenfliessen. Ein Schritt, der äusserst teuer und aufwendig ist.
Und das gilt für jede Abwasserreinigungsanlage im Land.
Infektionsgefahr beim Baden
Die Konsequenzen der Überforderungen sind weitreichend. Flussabwärts von Emmen LU liegt einige Kilometer weiter Bremgarten AG.
Durch diese Stadt fliesst das abgelassene Abwasser der ARA Buholz. Zusammen mit den entsprechenden Abwässern der Stadt Zug und Ausschwemmungen aus der Landwirtschaft.
Dies führt zu einer erhöhten Infektionsgefahr beim Baden im Fluss. Zum Beispiel «durch Verschlucken, Kontakt mit Schleimhäuten oder offenen Wunden», warnt Irina Nüesch, Sektionsleiterin Trink- und Badewasser beim Kanton. Dank der darin schwimmenden Bakterien, Viren und anderen Stoffe.
In Sachen Schutz bleibt noch viel zu tun
Aber trotz allem haben Kläranlagen in den letzten Jahrzehnten erheblich zur Verbesserung der Wasserqualität beigetragen.
Paul Sicher vom Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA) betont: «Die Kläranlagen sind eine Errungenschaft und eminent wichtig für eine gute Gewässerqualität.»
Es bestehe einfach weiterhin Verbesserungsbedarf.
Die Technologie der Anlagen wird ständig verbessert. Und viele Anlagen haben bereits eine vierte Reinigungsstufe eingeführt, um Mikroverunreinigungen zu entfernen. Noch ist aber kein hundertprozentiger Schutz geboten.
«Starkregenereignisse können die Gewässerqualität kurzfristig noch immer stark beeinträchtigen», führt Sicher aus.