New Adult-Romane verweben grosse Gefühle mit ernsten Themen
Romantik und die grossen Gefühle, aber nicht nur: In New-Adult-Romanen werden Themen ums Erwachsenwerden behandelt.
Der Absatz der New-Adult-Romane ist riesig, das Genre wichtig für den Buchhandel. Was zeichnet es aus?
Colleen Hoover ist die Vorzeige-Autorin im Literatur-Genre New-Adult. Eines ihrer bekanntesten Werke ist «It Ends with US» (dt.: «Nur noch ein einziges Mal», 2022). Als der Film im letzten August in die Deutschschweizer Kinos kam, zeigten sich viele Zuschauerinnen und Zuschauer geschockt. Denn anders, als die Filmplakate vielleicht suggeriert haben, geht es nicht um eine hübsche Liebesgeschichte, in der Blumen vorkommen. Sondern um häusliche Gewalt.
Der Erfolgsroman, von dem über 10 Millionen Exemplare in Print-, Audio- und E-Book-Formaten verkauft worden sind, erzählt die Geschichte von Lily Bloom, einer jungen Frau, die eine scheinbar perfekte Beziehung mit dem Neurochirurgen Ryle Kincaid beginnt. Gleichzeitig wird sie von der Erinnerung an ihre erste Liebe zu Atlas eingeholt. Ryle zeigt zunehmend gewalttätige Züge.
Ironisch – und filmreif – an diesem PR-Gau (offensichtlich war die Kommunikation bezüglich Inhalt des Filmes unzulänglich): Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Regisseur und Hauptdarsteller Justin Baldoni, der sich während der Promotour des Films als Feminist feiern liess, eine Verleumdungskampagne gegen Hauptdarstellerin Blake Lively in Auftrag gegeben hatte. Dabei ist Colleen Hoovers Roman im Sommer zum zweiten Mal auf der New York Times Bestsellerliste gelandet.
Eigenes Sub-Genre in der Unterhaltung
New Adult ist derzeit eines der wichtigsten Genres der Buchwelt. In den Romanen wird jedoch nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen und junge Liebe behandelt. Oft mögen es schon Schnulzen sein, die in den 300 bis 500 Seiten starken Büchern zu lesen sind.
Aber es geht meist auch um relevante Themen, die junge Erwachsene beschäftigen: Selbstfindung, Erwachsensein, den eigenen Weg finden und gehen. Und – etwa bei Colleen Hoover – um weit Ernsteres, wie etwa mentale Gesundheit, häusliche Gewalt, Gleichberechtigung, Diskriminierung, Diversität im Allgemeinen.
Beim grössten Schweizer Buchhändler heisst es: «New Adult hat sich aus dem erwachsenen Jugendbuch heraus entwickelt und bildet inzwischen ein eigenes Sub-Genre in der Unterhaltung», sagt Alfredo Schilirò, Pressesprecher bei Orell Füssli Thalia.
«Es sind vor allem (Liebes-) Geschichten, die sich mit den turbulenten Lebensphasen junger Erwachsener, meist zwischen 18 und 25 Jahren, beschäftigen. New Adult schliesst die Lücke zwischen dem Jugendbuch, dem Achtzehnjährige entwachsen sind, und der Unterhaltungsliteratur à la Lucinda Riley, Jojo Moyes, mit deren Inhalten sich junge Frauen noch nicht identifizieren können.»
New-Adult-Romane sind oft in der Ich-Form geschrieben
Die Protagonistinnen oder Protagonisten weisen gern eine dunkle Vergangenheit auf und wälzen auch deshalb düstere Probleme. Das Genre ist vorwiegend gleichzusetzen mit Contemporary Romance.
In der Schweiz sind New-Adult-Autorinnen oder Autoren rar. Sie finden sich unter anderem beim Verlag Sternensand, der auf die Genres Fantasy und Romance spezialisiert ist. Der Verlag vertreibt auch Young-Adult-Bücher. Im Unterschied zu New Adult richtet sich dieses Genre an Leserinnen und Leser im Alter von 12 bis 18 Jahren. Die Figuren sind meist Teenager, die sich mit Themen wie Highschool, erste Liebe oder Freundschaft auseinandersetzen.
Ganz neu ist das Phänomen New Adult nicht: Die Romantrilogie «Save Me» von Mona Kast etwa erschien bereits 2018 und hat sich mittlerweile über 1,5 Millionen Mal verkauft. Letztes Jahr wurde die Serie erfolgreich verfilmt. «Maxton Hall – die Welt zwischen uns» kann bei Prime Video gestreamt werden.
Es geht um die Schülerin Ruby Bell, die davon träumt, an der Oxford University zu studieren, und um James Beaufort, einen reichen Sprössling aus einer Unternehmerfamilie. Ihre Welten kreuzen sich, und zwischen vielen Intrigen und wirklich krassen Herausforderungen entwickelt sich – Leidenschaft und Liebe.
Ursprung in den USA
Tatsächlich definierte die «New York Times» New Adult schon 2012 als «Harry Potter trifft auf 50 Shades of Grey». Der Begriff New Adult (eigentlich: «Neue Erwachsene») kommt aus den USA. Gezielt versuchten dort Verlage Ende der Nullerjahre, auf eine bestimmte Zielgruppe zu fokussieren.
Die Verlagsgruppe St. Martin’s Press etwa suchte in einem Schreibwettbewerb nach Büchern, die junge Erwachsene nach der Highschool und während des Übergangs ins Erwachsenenleben thematisierten. Verlage, zumeist Autorinnen und Leserinnen von Plattformen wie «Goodreads» und später der BookTok-Community haben das Genre weltweit bekannt gemacht.
Auf der Frankfurter Buchmesse im letzten Herbst gab es erstmals eine eigene New Adult Halle. Die Schlangen davor waren lang. Das Spektakel erinnerte an ein Konzert von Taylor Swift. Der Vergleich ist nicht zufällig: Mittlerweile werden New Adult-Autorinnen, es sind hauptsächlich weibliche Schriftstellerinnen, wie Popstars gefeiert. Das bestätigt Penguin Randomhouse. In der Verlagsgruppe gibt es gleich mehrere Verlage, die sich auf New-Adult-Literatur spezialisiert haben: Lyx beispielsweise oder Heyne sowie – ganz neu Heartlines. Mit «lit.Love on Tour» bekommen dort die wichtigsten Autorinnen seit 2023 sogar ihre eigene Tournee.
Eine wichtige Rolle im Universum New Adult spielt die Ästhetik. Die Geschichten erscheinen von Beginn an im günstigeren Taschenbuchformat. Im Erscheinungsbild geht Grafik vor Fotografie. Kurze, prägnante Titel («Save Me», «It Ends with Us») erscheinen in verschnörkelter Schrift, oft auf pastellfarbenem Hintergrund. Glanz- oder Metallic-Effekte sind beliebt. Die Verlage prägen New Adult-Bücher mit Blumen, Herzen und anderen Symbolen und manchmal werde Buchrücken und Seitenschnitt entsprechend eingefärbt.
Die Genrekennzeichnung ist klar. Etwa Charlotte Künne vom Piper-Verlag sagt: «Wir beobachten, dass New Adult-Leserinnen die Bücher vorwiegend in gedruckter Form kaufen und lesen. Die Romane werden gesammelt und im eigenen Bücherregal ausgestellt.»*
*Dieser Text von Nina Kobelt, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.