Psychotherapeuten in Ausbildung melden Kurzarbeit an
Krankenkassen von Santésuisse bezahlen Psychotherapeuten in Ausbildung nicht mehr. Diese melden Kurzarbeit an. Patientinnen stehen mit leeren Händen da.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Leistungen von Psychotherapeuten in Ausbildung bezahlt Santésuisse nicht mehr.
- Für 10'000 Personen bedeutet das Therapieabbruch – für die Praktizierenden Kurzarbeit.
- Der Geschäftsführer der Praxis Asto fordert das BAG auf, zu handeln. Die Lage sei ernst.
Seit Anfang des neuen Jahres bezahlt der Verband Santésuisse Psychotherapie bei Psychologen in Ausbildung nicht mehr. Unter dem Delegationsmodell wurden deren Leistungen über einen Arzt abgerechnet.
Ab 2023 hat sich das geändert. Personen in Ausbildung fallen nicht unter die gesetzlichen Regeln des neuen Anordnungsmodells. Auf diese «fehlende gesetzliche Grundlage» beruft sich Santésuisse bei ihrer Entscheidung. Die Konsequenz: Praxen melden für ihre betroffenen Therapeuten Kurzarbeit an.
Rund die Hälfte der Schweizer Bevölkerung ist bei Krankenkassen von Santésuisse versichert. Ihre Verweigerung, Therapien bei Therapeuten in Ausbildung zu bezahlen, betrifft rund 10'000 Personen. Ebenso können Psychologen in Ausbildung bei mangelnder klinischer Erfahrung ihre Ausbildung nicht abschliessen.
«Kaum mehr Zeit, Pendenzen abzuarbeiten»
Gegenüber der «Berner Zeitung» sagt Inga Köster, Chefpsychologin der Praxisgemeinschaft im Zentrum in Interlaken BE: «Wir befinden uns in einer völlig irrsinnigen Situation.» Für drei Therapeuten, die insgesamt 87 Patienten betreuten, meldete die Praxis Kurzarbeit an.
Ihre Mitarbeitenden hätten Arbeit und würden gerne arbeiten, nur würden viele Krankenkassen deren Leistungen nicht mehr zahlen, so Köster. Die Praxis wird derzeit nämlich von Terminanfragen überhäuft. «Wir sind derart ausgelastet, dass wir kaum mehr Zeit finden, die Pendenzen abzuarbeiten», sagt Köster.
Ohne die vom Therapieabbruch Betroffenen mitzuzählen, befänden sich derzeit 67 Patienten auf der Warteliste.
In der Praxis Asto in Emmenbrücke LU verlieren durch den Entscheid von Santésuisse 50 Personen ihren Therapieplatz. Geschäftsführer Ivan Bergamin hat für zwei Psychologinnen Kurzarbeit beantragt, die ausfallen, weil ihre Therapien nicht mehr bezahlt werden.
Bergamin skizziert den Ernst der Lage: «Eine der Patientinnen ist nach dem Therapieabbruch in eine derart schwere Krise geraten, dass eine Hospitalisierung in der Psychiatrie unumgänglich wurde.»
Bergamin fordert vom Bundesamt für Gesundheit BAG eine sofortige Klärung der Situation. Die Kassen sollen auch die Leistungen von Personen in Weiterbildung vergüten. Bei Gerichten, wo Verfahren um die Bezahlung von Therapien laufen, soll das BAG ansonsten die Dringlichkeit des Entscheides klarmachen.
Doch die Politik winkt ab. Auf Anfrage der Zeitung heisst es von BAG-Sprecher Jonas Montani: Der Bund habe keine Möglichkeit, in Gerichtsverfahren einzugreifen oder eine entsprechende Verordnung zu erlassen.
Bis es im Tarifstreit zu einer gerichtlichen Klärung kommt, kann es aber noch Monate dauern. Bis dahin heisst es für Betroffenen also einfach: Ausharren.