Armee warnt: Zu viele Zivis gefährden Einsatzbereitschaft
Das Wichtigste in Kürze
- Der Armeebestand betrug am 1. März rund 147'000 Personen.
- Bis 2030 könnte der Wert auf unter 140'000 Personen sinken.
- Die Einsatzbereitschaft sei gefährdet, warnt das VBS – die Gsoa widerspricht.
Die Schweizer Armee wies per Stichdatum 1. März 2024 einen Effektivbestand von rund 147'000 Personen aus. Damit wird die in der Armeeorganisation festgehaltene Obergrenze von 140'000 um 5 Prozent überschritten.
70,9 Prozent noch in Ausbildung
Die 147'000 Armeeangehörigen teilen sich auf in rund 104'200, die noch Ausbildungsdienst leisten müssen (70,9 Prozent), und rund 42'800, die ihre Ausbildungsdienstpflicht bereits erfüllt haben (29,1 Prozent). Gegenüber dem Jahr 2023 hat der Effektivbestand um 204 Personen abgenommen, wie das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) am Freitag weiter mitteilte.
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Die Abnahme erkläre sich dadurch, dass mit der Weiterentwicklung der Armee im Jahr 2018 die Dauer der Einteilung auf zehn Jahre verkürzt worden sei. Um die Bestände in der Übergangsphase zu sichern, blieben Soldatinnen und Soldaten und Unteroffiziere, die ihre Rekrutenschule vor 2018 erfüllt haben, aber für zwölf Jahre in der Armee eingeteilt, so das VBS.
VBS sieht Einsatzbereitschaft gefährdet
Nachdem die beiden letzten Jahrgänge mit zwölf Jahren Militärdienstpflicht gegen Ende des Jahrzehnts aus der Armee entlassen sein werden, wird der Effektivbestand laut VBS bis im Jahr 2030 auf unter 140'000 Personen sinken.
Grund dafür sei, dass die Armee bereits heute pro Jahr über 11'000 Angehörige verliere, die vor der Erfüllung ihrer Militärdienstpflicht ausscheiden. Die Abgänge aus medizinischen und anderen Gründen seien zwar stabil geblieben, jene in den Zivildienst, die aktuell mehr als sechzig Prozent ausmachen, seien derweil angestiegen.
Das VBS sieht durch diese Abgänge mittelfristig die Alimentierung und Einsatzbereitschaft der Armee gefährdet. Zur langfristigen Sicherung der Bestände von Armee und Zivilschutz prüfe es deshalb derzeit in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) zwei alternative Dienstpflichtmodelle.
Gsoa spricht von «Rechentricks»
Die Notwendigkeit für eine Prüfung alternativer Dienstpflichtmodelle zieht die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa) in Zweifel, wie auch überhaupt die vom VBS präsentierten Zahlen zum Armeebestand. Die Armee habe kein Alimentierungsproblem, im Gegenteil: Sie sei illegal zu gross. Statt endlich Transparenz zu schaffen, arbeite die Armee mit «Rechentricks», um den Zivildienst zu schwächen.
Weiter schreibt die Gsoa in einer Stellungnahme, das VBS habe im vergangenen Jahr nach Bekanntgabe des widerrechtlich hohen Überbestands keine Armeeauszählung publiziert und in der Auszählung für letztes und dieses Jahr diverse Korrekturen vorgenommen, um den Bestand kleinzureden.
Während noch im Jahr 2022 Armeeangehörige im Jahr ihrer Entlassung in die Auszählung des VBS mitgerechnet wurden, würden sie es heute nicht mehr. Mit ihnen wären die Effektivbestände der letzten zwei Jahre deutlich höher. Zudem rechne das VBS in seinen Prognosen zur Weiterentwicklung der Armeebestände mit äusserst konservativen Zahlen. Dabei sei die Tauglichkeitsquote so hoch wie seit zwanzig Jahren nicht mehr.
Bundesrat und Parlament wollen Bestand sichern
Mit ihrer Position steht die Gsoa jedoch auf relativ verlorenem Posten. So haben Parlament und Bundesrat unlängst beschlossen, den Armeebestand durch verschiedene Massnahmen zu stabilisieren. So soll zum einen gemäss dem Willen der Landesregierung eine Überschreitung der festgelegten Obergrenze beim Effektivbestand der Armee für eine gewisse Zeit erlaubt sein. Dies angesichts der geopolitischen Lage.
Zum anderen will der Bundesrat die Zulassungen zum Zivildienst senken, wofür er Anfang März dieses Jahres verschiedene Umsetzungsvorschläge machte. Eine entsprechende Motion der SVP-Fraktion mit dem Titel «Armeebestand mittels Massnahmen beim Zivildienst stärken» war in der Herbstsession 2022 respektive der Frühlingssession 2023 von National- und Ständerat angenommen worden.