Schweizer zahlen Rechnungen pünktlich – wie lange noch?

Die weltweite Zahlungsmoral hat sich im letzten Jahr verschlechtert. Wie eine Studie der «Allianz Trade» zeigt, werden Rechnungen durchschnittlich fünf Tage später bezahlt als noch im Vorjahr. Damit ist die Zahlungsmoral stärker gefallen als in den vorherigen sieben Jahren zusammen.

In der Schweiz sieht das Bild jedoch anders aus. Die Zahlungsmoral ist hierzulande stabil geblieben, hat sich also weder verschlechtert noch verbessert. Unternehmen warten in der Schweiz 57 Tage auf ihr Geld, das sind zwei Tage weniger als im internationalen Schnitt. Ist hier etwa das Bünzlitum am Werk?

Tatsächlich, ja – zumindest teilweise. «Es gibt in der Schweiz eine starke Norm, nach der Rechnungen pünktlich zu bezahlen sind. Wir haben die Norm so sehr internalisiert, dass daraus eine Art Moral geworden ist», sagt der Wirtschaftspsychologe Christan Fichter. «Wir bekommen automatisch ein schlechtes Gefühl, wenn wir Rechnungen liegen lassen.»

Der einzige Faktor ist das allerdings nicht. Denn: «Das Zahlungsverhalten hängt nicht nur von der Moral der Schuldner ab», so Fichter. Insbesondere die Konjunktur und die wahrgenommene Bedrohungslage, etwa Kriege oder Pandemien, würden eine Rolle spielen. «Von daher ist zu vermuten, dass die Krisenereignisse der vergangenen Jahre sich negativ auf das Zahlungsverhalten ausgewirkt haben.»

In der Schweiz ist aber genau das nicht passiert. Laut Fichter gibt es dafür zwei Gründe: «Erstens hat die Schweiz die Krisen der letzten Jahre vergleichsweise glimpflich überstanden. Zweitens ist unsere Zahlungsfähigkeit intakt. Das erleichtert natürlich das Bezahlen von Rechnungen ungemein.»

Dass die Zahlungsmoral weiterhin stabil bleibt, bezweifelt Fichter. «Ich glaube, sie wird sich tendenziell verschlechtern, aber nicht viel. Die sozialen Normen hinsichtlich pünktlicher Bezahlung werden sich im Zuge der kulturellen Globalisierung an internationale Gepflogenheiten anpassen. Also nach unten», so Fichter.